Dienstag, 22. Oktober 2013

London Diaries: Pasek & Paul LIVE at the Hippodrome

Pasek & Paul LIVE? Kurz: Eines der besten Musical-Konzerte, die ich je erlebt habe. Das NYer Songschreiber-Duo, das letztes Jahr für seine erste Broadway Show „A Christmas Story“ für seinen ersten Tony nominiert wurde, ist momentan auf Europa-Tournee. Oslo, Paris, London,…und WIEN! Als ich erfahren habe, dass die beiden in meine Heimatstadt kommen und ich nicht da bin, habe ich mich unglaublich geärgert. Da muss man erst einmal wegziehen, bevor sich musical-mäßig so richtig etwas tut. Das Glück war allerdings dann doch auf meiner Seite und ich konnte Benj Pasek und Justin Paul gestern live im Hippodrome Casino erleben.

Ja, es ist „ERLEBEN“. Die beiden kommen auf die Bühne und die Verbindung zum Publikum ist sofort da. Sie lassen sie keinen Augenblick los, sondern kommunizieren mit Energie, Leidenschaft und einer enormen Portion Talent. Sie präsentieren ihre Songs mit so viel Hingabe und Emotion, dass es einen nicht mehr loslässt. Es fesselt und berührt. Wenn Benj Pasek sich in sein Solo hineinkniet (u.a. "Along the way" aus "Edges"), dass es kein Morgen gibt, aber es gleichzeitig so „klein“ daherkommt, weil es dem Gefühl des Songs entspricht, dann ist das ebenso besonders, wie wenn Justin Paul mit einstimmt, um gemeinsam als Heuschrecke und Marienkäfer (aus dem Musical „James and the Giant Peach“) über Verlust und Trauer zu singen oder über die Hoffnung, die einen weitertreiben lässt, auf dem Fluss des Lebens. Es sind Songs, die auf allen Ebenen funktionieren. So fein gesponnen, Musik und Lyrics wunderbar ineinander gewoben. Und was für Texte. Witzig, gefühlvoll, genial! Das kann man nicht beschreiben, das muss man hören.

Special Guests waren an diesem gestrigen Abend Oliver Tompsett, der mit „Do you remember?“ als Peter Pan den ganzen Saal in seinen Bann gezogen hat, aus Paris kam X-Factor-Teilnehmerin und Musicaldarstellerin Sarah Manesse, die gemeinsam mit Benj Pasek „First Date/Last Night“ aus dem Off-Broadway Musical „Dogfight“ performt hat (ein tolles Duett) und Lauren Varnham, die „Perfect“ aus „Edges“ zum Besten gegeben hat. Tja, und dann war da noch Willemijn Verkaik. Was gibt es da zu sagen. Sie wird zu Recht als Darstellerin um die Welt gereicht, von einer „Wicked“-Produktion zur nächsten (bald im West End). Wie sie sich innerhalb weniger Momente in die Situation des Charakters versetzt und so tief in sich hineingräbt, um von dort alles Notwenige für diesen einen Song herauszuholen, ist unglaublich. Vor allem „Pretty Funny“ (Dogfight) ist dadurch nahe gegangen als würde man sich selbst in der Situation befinden, Tränen inklusive. Auch „Caught in the Storm“ aus der Musical-TV-Serie „Smash“, für deren 2. Staffel Pasek & Paul ein paar Songs geschrieben haben, hatte es in sich. Verkaik war es auch, die das Konzert beschließen durfte, mit Publikum als Background-Chor. „Ready to be loved“ war ein wunderbarer Abschluss dieses fantastischen Konzertes. Doch meine Worte reichen nicht aus, um all das zu beschreiben, also:

1. Resttickets für das Pasek & Paul Konzert in Wien ergattern! Die neue Initiative zur Förderung des „Off“-Musicals in Österreich "OFFstage" hat dieses Konzert möglich gemacht. Großartig.

2. Einfach selbst hineinhören und -schauen. Und zwar u.a. hier.

Ein kurzes Gespräch nach dem Konzert hat es bestätigt: Die beiden sind ebenso sympathisch wie sie auf der Bühne wirken. Ihre Offenheit, ihre Freundlichkeit und auch ihre Dankbarkeit sind nicht nur in den Anekdoten während des Konzertes spürbar, sondern auch im persönlichen Kontakt. Sie begrüßen einen als würde man sich schon ewig kennen, bedanken sich fürs Kommen und entlassen einen mit einer Umarmung oder einem „High Five“. Lustige, überaus nette Zeitgenossen, diese beiden. Pasek & Paul – wer das Wien-Konzert verpasst ist selbst schuld!!

LINKS:

- Tickets für das Wien Konzert auf der Probebühne im Ronacher am 28. Oktober, HIER
- OFFstage Intitiative
- Pasek and Paul Homepage
- Highlights auf YouTube

Montag, 21. Oktober 2013

London Diaries: The Light Princess – National Theatre


Das National Theatre macht in den letzten Wochen viel von sich reden. Es feiert nicht nur sein 50-jähriges Bestehen mit einer Menge an Veranstaltungen – spannenden Theatre Talks oder Gesprächsrunden über die Zukunft des Theaters -, sondern hat auch dieser Tage einen neuen Künstlerischen Leiter ernannt, Rufus Norris. Wenn das nicht schon genug News wäre, feierte das Theater kürzlich auch die Premiere eines neuen Musicals. Sechs Jahre Arbeit des Creative Teams stecken in „The Light Princess“. Eine Märchenadaption von Samuel Adamson mit Musik von Tori Amos. Die Plakate hängen in der ganzen Stadt, die schwebende Prinzessin leuchtet einem immer wieder direkt ins Auge. Das Grafikdesign ist so bezaubernd, dass es mich förmlich ins Theater gezogen hat. Und beim Design (Rae Smith) bleibt es auch beim Musical.
Wenn man beeindruckendes Design-Spektakel, verzaubernde Bühnenbilder, Puppenspieldetails und wundersame Umsetzung von magischen Effekten sehen möchte, dann ist man an der richtigen Adresse. Erwartet man jedoch ein Musical mit Geschichte und Musik, die bewegen, unterhalten oder zumindest irgendwie tangieren, wird man höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Meine Erwartungen waren ziemlich neutral. Vorab habe ich Negatives und Positives gehört und gelesen und als Zuhörerin eines Theatre Talks mit Regisseurin Marianne Elliott (War Horse, The Curious Incident of the Dog in the Night-Time) erfahren, dass die Produktion jene in ihrer Karriere ist, auf die sie am meisten stolz ist. Letzteres große Worte, die meine Neugierde noch verstärkt haben.

Ein Musical muss nicht unbedingt „hummable“ sein, es muss keine Ohrwürmer enthalten, aber die Musik muss zumindest irgendeinen Reiz haben. Tori Amos, so leid es mir tut, hat in „The Light Princess“ leider grundliegend versagt. Da ist nicht viel da, nach einer gewissen Zeit hört sich alles gleich an, die Musik klingt bald nur noch langweilig. Dialogpassagen gibt es kaum, das Stück ist fast ganz „sung-through“, wogegen eigentlich nichts einzuwenden wäre, wenn eben alles andere stimmen würde. Die Songs bringen die dramatische Handlung, sofern es überhaupt eine gibt, nicht weiter und haben auch sonst nichts zu sagen. Das Buch von Samuel Adamson, der das schottische Märchen von George MacDonald für die Bühne adaptiert hat, stellt sich ebenso ungeschickt an. Sechs Jahre wurde an diesem Stück gearbeitet? Kaum vorstellbar. Die dürftige Story lässt sich in weniger als fünf Minuten erzählen: Die „leichte“ Prinzessin Althea hat sich nach dem Tod ihrer Mutter dafür entschieden, einfach für immer durch den Raum zu schweben und sich weder von Tränen noch von irgendeiner anderen Form von Trauer davon abhalten zu lassen. Die Verdrängung lässt sie schweben. Sie trifft auf den Prinzen des verfeindeten Nachbarlandes, Digby, und beide verlieben sich.  Sie wird schwanger und am Ende wird alles gut und die Familien versöhnen sich. Dazwischen gibt es noch eine nette Hofdame und einen komischen Vogel, sowie den Bruder des Prinzen und die beiden Könige. Das Konfliktpotential und damit die Dramatik streben gegen Null. Langeweile. Wirklich sympathisch ist die Prinzessin einen nämlich auch nicht. Sie nervt mit ihrem „Herumgeschwebe“, ihrer Ignoranz. Natürlich kann man sich jetzt in die Tiefe stürzten und irgendwo einen Sinn des Ganzen suchen, aber warum? Vielleicht gibt es auch keinen. Enttäuschend und schade um das viele Geld, das in diese Produktion geflossen ist. Denn auch die Schauspieler haben absolut keine Möglichkeit irgendwie zu berühren, da springt leider kein Funke über. Die Musik wirkt in manchen Momenten einfach nur störend und nimmt potentielle Momente der „Verbindung“ zum Publikum einfach weg. Ja, sie beraubt anstatt genau diese „Verbindung“ auf musikalischer Ebene herzustellen oder zu verstärken. Beim Verlassen des Theatersaales dreht sich mein Sitznachbar zu mir um und meint: „Clever!?“. Clever, aber nur was das Design und die Umsetzung der „Special Effects“ betrifft…

Mittwoch, 18. September 2013

Vorpremiere: Sweeney Todd - Volksoper


Der Frage, ob man überhaupt Vorpremieren rezensieren darf oder nicht, möchte ich mich hier nicht stellen. Doch da die Vorpremiere von „Sweeney Todd  an der Volksoper im freien Verkauf war, also dem „Normalpublikum“ zugänglich, und ich meine Gedanken zu dieser Inszenierung auch zugänglich machen möchte, habe ich beschlossen, ein paar Worte darüber zu verlieren.
Grundsätzlich ist der Volksoper ein Lob auszusprechen, dass sie sich endlich Stephen Sondheim annimmt und dann auch noch den „dämonischen“ Barbier auf den Spielplan setzt. Mutig finde ich das durchaus und meine: Nur weiter so! Mit Matthias Davids wurde auch ein Regisseur gefunden, der etwas auf dem Kasten hat – wie man zuletzt in Linz bei der grandiosen Inszenierung von „Die Hexen von Eastwick“ sehen konnte. So und jetzt kommen wir auch schon zur Besetzung, dem eigentlichen Problem, das sich bereits im Vorfeld abgezeichnet hat und sich für mich letztlich auch bei der Vorpremiere bestätigt hat…

Ja, es ist verständlich bei fünf Musicalproduktionen in der gesamten Saison (beachtlich!) muss man als großes Theater- bzw. Opernhaus auf das Budget achten. Leider muss man anscheinend da ansetzen, wo man – meiner Meinung nach – auf keinen Fall ansetzen dürfte. Um nicht zu überziehen besetzt man aus den eigenen Reihen. Dann denkt man sich, dass man Sondheim und vor allem „Sweeney Todd“ mit Opernsängern besetzen kann, weil es ja perfekt passt. Aber nein. Es passt eben nicht perfekt. In der September-Ausgabe der „Bühne“ ein Zitat des Direktors Robert Meyer:

„In der Regel werden Musicals mit musikalisch begabten Darstellern besetzt, die auch singen können. Aber hier hört sich der Spaß auf! In diesem Fall wäre dies tollkühn. Hier trifft man – in dem Genre selten! – mit Opernsänger die richtige Wahl.“
Nein. Eben nicht. Und warum? Allererstens weil - und das kann man zwar nicht auf alle, aber doch auf einen Großteil anwenden – Opernsänger nicht schauspielen können, oder sagen wir es so, mit ihrem Schauspiel oft nur an der Oberfläche kratzen und nicht aus sich heraus spielen. „Sweeney Todd“ ist eines der Musicals, das in erster Linie gute Schauspieler braucht, um seine Genialität zu entfalten; natürlich mit der Voraussetzung Sondheims komplexe Partitur auch singen zu können. Zugegeben, die Volksoper macht in dieser Besetzungsriege nicht viele Fehler, aber die wenigen sind fatal. Anita Götz als Johanna und Alexander Pinderak als Anthony Hope sind ihren Rollen nicht gewachsen. Sie wirken alt, langweilig, oberflächlich. Götz‘ Johanna ist eine blonde Tussi, die nicht viel im Hirn hat und an deren Schicksal und Zukunft ich als Zuschauer kein Interesse hatte. Sie war mir egal. Ebenso Anthony Hope. Pinderaks „Johanna“ ist ganz gut gesungen, aber leider ist da nicht viel dahinter. Gerne denke ich an Stefan Bischoffs Solo am Stadttheater Klagenfurt zurück oder auch an die West End-Inszenierung bei der Luke Brady die Herzen des Publikums angerührt hat. Götz und Pinderaks Rollengestaltungen bleiben jedoch so an der Oberfläche, das sie nicht ergreifen. Sie erreichen mich nicht und dadurch geht viel verloren. Es sind ja nicht irgendwelche Nebenrollen, im Gegenteil. Doch auch Patricia Nessy, die vom Musical kommt, enttäuscht als Bettlerin. Auch hier springt nichts über, zu einstudiert klingen die wirren Rufe und schnellen Stimmungsschwankungen. Morten Frank Larsen – auch er von der Oper – spielt Sweeney Todd annehmend und ist der Rolle durchaus gewachsen. Hier stellt sich jedoch eine andere Frage, die aber wahrscheinlich auf die Regie zurückzuführen ist – Todd entwickelt sich nicht. Gerade die Kurve, die der Protagonist in diesem Stück zu spielen hat, ist das Spannende. Verbittert kommt Todd aus seiner Verbannung zurück nach London und langsam beginnt hier der Racheplan zu entstehen, bis er dann in einem überbordenden, unkontrollierten Akt endet. Doch es ist eine Entwicklung, ein innerer Kampf, den Todd hier durchmacht. Larsen beginnt jedoch bereits mit einer sehr offenen Wut, was zur Folge hat, dass die Entwicklung keinen Platz mehr hat, weil deren „Ziel“ schon viel zu Nahe ist. Trotzdem macht er seine Sache größtenteils gut.

Dagmar Hellberg und Tom Schimon sind die eigentlichen Highlights. Auch Robert Meyer überzeugt als Richter Turpin – er kommt vom Schauspiel und das ist sein großer Vorteil. Schimon spielt und singt Tobias so wie es sein soll und Hellberg liegt die Mrs. Lovett sowieso. Es ist schon fast ihre Paraderolle und der Anker dieser Inszenierung. Sie definiert Musical bzw. Musiktheater eben als „Schauspiel, bei dem man ‚zufällig‘ singt“ (Musicals. Das Muscialmagazin. August/September 2013, S. 45). Das ist der entscheidende Unterschied.
Die österreichische Presse überschlägt sich fast mit Lobeshymnen – selten wenn es ums Musical geht. Ja, es ist ein tolles Stück. Von vorne bis hinten. Die „Sweeney Todd“-Inszenierung an der Volksoper bleibt doch hinter meinen Erwartungen zurück – gerade weil einige Charaktere so viel mehr hergeben würden, als hier gezeigt. Es ist schade zuzusehen, wie wichtige Teile des Stücks verloren gehen, weil die Schauspielleistung einfach nicht ausreicht oder gar vollkommen fehlt. Pluspunkte für den Spezialeffekt „Blut-aus-Kehlen-spritzen“, das Bühnenbild von Mathias Fischer-Dieskau und das grandiose Orchester der Volksoper unter der Leitung von Joseph R. Olefirowicz gibt es aber auch.

Mittwoch, 21. August 2013

Musical Unplugged 7 - Solo Special


Ganz ehrlich? Ich weiß nicht was ich schreiben soll. Wie soll ich all die Emotionen, die ich vom gestrigen Abend mitgenommen habe hier in Worte fassen? Es scheint für mich so unmöglich und doch gäbe es so einiges zu sagen, also muss ich versuchen mit Worten dem gerecht zu werden, was das Musical Unplugged 7 – Solo Special gestern war und eben heute noch ist, weil dieser Abend es nicht nur schafft den Zuschauer so im Moment zu erreichen, sondern auch gleichzeitig vorzugreifen und ihn nicht mehr loslässt. Warum das so ist oder warum das bei mir so ist, führe ich darauf zurück, das dieses Konzert, sowie auch schon einige Musical Unplugged Gigs zuvor, Gefühle hervorruft, die einen wieder auf den „richtigen Weg“ bringen. Keine Ahnung, ob man das so ausdrücken kann, aber an diesem Abend – und eben auch jetzt noch – fühle ich mich „erreicht“. Ich fühle mich verstanden. Ich fühle mich als Mensch akzeptiert, so wie ich bin und weiß gleichzeitig auch wieder was ich im Leben will. Sind das nicht die schönsten Gefühle? Ich glaube schon. Ja, und das Musical Unplugged – Solo Special vermochte genau diese zu erzeugen. Wie? Tja, also da wäre zunächst die Besetzung, die kaum genialer sein könnte. Organisator Florian Schützenhofers „Geniestreich“ setzt sich aus Menschen zusammen, die nicht nur so wahnsinnig gut singen können, sondern eben auch Menschen mit Fehlern, Menschen zum „Angreifen“ sind. Ihnen allen ist gemein, dass sie es schaffen, authentisch zu sein. Authentisch in ihren Performances, in ihrem Auftreten, in ihrem „Sein“ auf der Bühne. Das heißt auch, dass es „Unperfektheiten“ gibt. Diese Texthänger, das „Teasen“ auf der Bühne, das Gemurmel in die Mikros (mal verständlich, mal unverständlich) machen den Abend erst „perfekt“. Perfekt, weil unperfekt eben.
Die Künstler auf der Bühne bilden eine eingeschworene Einheit. Auch die Musical Unplugged-„Neulinge“ Riccardo Greco und Rory Six fügen sich harmonisch ein und ergänzen die Runde mit ihren „Grenzgängen“, ihrer Authentizität, ihrer Furchtlosigkeit. Diese zeigt sich bei Greco vor allem bei „This is the moment“. Wenn er singt gibt es nichts Anderes mehr, nur ihn, seine Geschichte, seine Emotion. Kaum einer kann einen so tief erreichen wie er, finde ich. Das ist seine ganz besondere Gabe. Man hört den Song wie zum ersten Mal. Riccardo Greco  singt ihn auf seine Art, überhaupt singt jeder an diesem Abend auf seine Weise. Schützenhofer fährt hier eine klare Linie: Er lässt den Künstlern freie Hand in ihren Interpretationen und lässt sie ihr „Ding“ durchziehen, in dem Vertrauen darauf, dass er die richtigen Leute ausgewählt hat. Diese „Linie“ schließt sich mit dem klaren Ende des Konzerts nach einer Zugabe. Es ist die richtige Entscheidung auch wenn es im ersten Moment schwerfällt sie zu akzeptieren, würde man diesen Menschen einfach gerne noch weiter zuhören.

Diese „eingeschworene Einheit“ auf der Bühne bedeutet auch, dass die Menschen auf der Bühne Spaß und Lust haben dort oben zu sein und zu singen. Wie auch in meinem allerersten Musical Unplugged Konzert ist mir gestern mehr denn je aufgefallen, dass diese spezielle „Abgeschlossenheit“ zum Publikum, die sich durch die Einheit auf der Bühne und den Performances der Sänger, die scheinbar nur für sich singen, ergibt, das Publikum auf eine Weise erreichen kann, wie sie nicht oft zustande kommt. Ganz unabhängig davon, dass hier Künstler stehen, die immer „aus sich heraus“ performen, also einen Zugang zu ihrem inneren Pool von Gefühlen schaffen, stellt Pianist Florian C. Reithner mit seinem virtuosen Spiel eine Herausforderung dar. In alter Manier verwandelt er, adaptiert, mischt und macht was er will. Wenn ein Sänger hier nicht bei sich bleibt, ist es aus. Das ist der springende Punkt. Die Künstler müssen so in sich vertrauen und so bei sich bleiben, dass sie nichts aus der Ruhe bringen kann. Und es gelingt, auch wenn ab und zu leichte Unsicherheiten sichtbar werden – sichtbare Menschlichkeit eben.
Martin Pasching machte den Anfang mit „Musik der Nacht“. Ab und zu musste er Textunsicherheiten mit einem Blick in die Noten überbrücken, doch so etwas ist egal, wenn die Performance einen spüren lässt, wie Paschings Phantom sich entfaltet. Auch wenn ich ihn vielleicht nicht auf den ersten Blick in dieser Rolle sehen würde, verspricht er mit seiner Performance mehr und ich kann mir vorstellen, dass seine Auslegung des „Phantoms“ sehr interessant sein könnte. Bei Bon Jovis „It’s my life“ gibt er alles und hängt sich hinein als gäbe es kein Morgen und deswegen hört man als Zuschauer die fehlende Rockband trotzdem.  Seine klare Stimme und seine „runde“ Art zeigen sich dann auch in „Alle Lichter“ von Ulli Bäer – das geht tief. Musical Unplugged-„Fixstern“ Jakob Semotan stürmt mit „Engel aus Kristall“ auf die Bühne – in einem fast schon unmenschlichen Tempo, aber er zieht es durch. Die Längen, die der Song sonst oft hat wurden ausgemerzt. Semotan schmeißt sich in alle seine Songs ohne Rücksicht auf Verluste hinein und macht sie zu seinen, einzig und allein bei „I dreamed a dream“ wusste ich nicht wohin er wollte – Parodie oder Ernst, Spiel oder Gefühl? Mit Luc Devens sang er „Under Pressure“, ein Song der sich beständig und völlig zu Recht im Programm hält und den die beiden so gut drauf haben, dass es so unglaublich viel Spaß macht, ihnen zuzusehen. Was bei Devens immer beeindruckt – von der Stimme mal abgesehen, für die gibt es eh keine Worte – ist seine Fähigkeit sich so von außen abzuschließen, dass man die Schutzwand um ihn fast schon sehen kann. Über die Dauer seiner Songs ist er in seiner „Kapsel“ verschwunden, seine  Augen bleiben größtenteils geschlossen und er singt einfach.

Rory Six überzeugt nicht nur mit „Die Schöne und das Biest“, sondern vor allem auch mit „Warum kannst du mich nicht lieben“ aus Mozart. Letzteres geht durch Mark und Bein. Sein Duett mit Riccardo Greco  - „Let me be your star“ aus Smash – ist ein Highlight des  Abends. Greco zeigt sich auch von seiner komödiantischen Seite.  Bei „Pharao Story“ weist er auf die Lächerlichkeit des Textes hin, während er bei „Irgendwo wird immer getanzt“ sehr überzeugend die Constance Mozart gibt. Zwischendurch gibt es „Elisabeth“ in verschiedenen Besetzungen und Kombinationen, zum Beispiel in einem „Wenn ich tanzen will“-Quartett, dessen letzte Textzeilen die Essenz des Abends widerspiegeln, da sie jeder eben „auf seine ganz besondere Art“ singt.
Reithners fantastisches Klaviersolo und „Step to far“ aus Aida sollen auch nicht unerwähnt bleiben. Eigentlich soll nichts unerwähnt bleiben, aber man muss es ja nicht übertreiben, denn wer wissen will, warum das so ist, der soll sich gefälligst heute Abend zum Amphitheater des Petronell-Carnuntum aufmachen und selbst sehen, was hier „abgeht“. Denn heute gibt es noch einmal „Musical Unplugged“ - selber schuld, wenn man hier nicht dabei ist!

Infos gibt es hier.

Montag, 29. Juli 2013

notes on...

MYSELF
 
Ein paar Wochen ist es nun her, dass ich von „Musical Musing“  bzw. Elisabeth einen Blog-Award erhalten habe. Immer wieder geistert so ein „Preis“ durch das Blog-Universum und das eigentlich nur aus dem Grund, die Menschen hinter den Texten und Bildern besser kennenzulernen, in dem man sie bittet drei, sieben, zehn oder sogar fünfzig Facts über ihre Person ihren Lesern mitzuteilen. Ich gebe zu, dass ich einerseits nicht viel von solchen „Awards“ halte – irgendwie sind sie doch sinnlos!? – aber andererseits doch etwas Gefallen daran gefunden habe. Zugegeben, ich habe mich ein bisschen über diese Ehre gefreut, die mir Elisabeth mit der „Verleihung“ erteilt hat, mir aber lange überlegt, ob ich „persönlich“ werden und etwas über mich schreiben soll, oder es einfach als private Freude belasse, um mich nicht weiter darum zu kümmern. Doch der Gedanke daran ist geblieben und um den Spuk zu beenden, habe ich beschlossen, ein paar Worte über mich zu verlieren.
Nach einem Bachelor-Degree in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, habe ich nun im Juni mein Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft abgeschlossen. Ich habe mich also auch abseits meines Blogs mit Theater beschäftigt, denn es ist meine große Leidenschaft. Mein Blog gab mir über die Jahre des Studiums die Möglichkeit so über Theater, im Speziellen über Musicals, zu schreiben wie ich es aus wissenschaftlicher Hinsicht nur bedingt durfte. Er war gewissermaßen ein Ventil. Begonnen hat alles mit „Rudolf – Affaire Mayerling“ im Februar 2009. Die größtenteils negativen Kritiken der Tagespresse und deren „Unverständnis“ für das Genre Musical brachten mich so in Rage, dass ich nach einer Möglichkeit suchte mich mitzuteilen, meine Sicht der Dinge darzustellen. Es musste öffentlich sein, für jeden zugänglich, da ich durch das Gefühl dieser „Öffentlichkeit“ die nötige kritische Distanz in meinen persönlichen Ansatz bringen konnte, selbst wenn mein Eintrag keine Leser finden würde – nur das Wissen um mögliche Leser hat bereits ausgereicht. Ich habe damals nicht verstehen können wie diverse Kritiker dieses Musical einfach nicht „sehen“ konnten – nicht sehen, dass es um mehr geht als um eine Liebesgeschichte zwischen Mary und Rudolf, sondern um ein Menschenschicksal, eine zerrissene Seele zwischen den Spannungen des Lebens, dargestellt von einem Schauspieler und Sänger (Drew Sarich), der sich selbst aufgeben und zugleich finden musste, um diese Rolle zu spielen und so intensiv gespielt hat, dass es mir den Atem verschlug.
Um diese Gefühlsebene geht es mir in meinen Beiträgen. Ich habe zwar Theaterwissenschaft studiert, doch im Prinzip kommt alles für mich immer auf diese Ebene zurück – die Menschen-Ebene, die Ebene der Emotion, die Ebene des Persönlichen. So betrachte ich das Dargestellte, die Schauspieler, die Musik, die Texte – das Theater. Über meine persönliche Ebene, über das „Gespürte“, über das „im-Raum-Fliegende“ und „zwischen-den-Zeilen-Liegende“. Ich begebe mich einerseits immer auf eine Reise zu mir selbst, andererseits auf eine Suche nach Antworten und viel mehr nach Fragen an das Leben. Meine Diplomarbeit habe ich inspiriert durch diesen, meinen persönlichen, Ansatz über „Rent“, „Spring Awakening“ und „Next To Normal“ geschrieben und versucht, mich jener Tatsache anzunähern, wie und warum diese drei Musicals auf so eindringliche Weise berühren, nahegehen und direkt in die Seele des Zuschauers gelangen. Dies nur am Rande…
Bisher habe ich es immer so gehalten, dass ich nur „Kritiken“ geschrieben habe, die auch geschrieben werden wollten. Keine Lust bedeutete keine Kritik, unabhängig davon ob ich eine Inszenierung ansprechend oder langweilig fand. Nichts sollte hier auf diesem Blog mit Zwang verbunden sein, so ist es noch heute. Wenn es beim Schreiben nicht „flutscht“, dann funktioniert es nicht und ich lasse es. Es muss ja nicht sein. Deswegen erscheinen Posts in unregelmäßigen Abständen und in kunterbunter Manier, gefiltert durch mein Interesse. Ich mache mir selten Notizen, meistens schreibe ich aus der Erinnerung, aus meiner Gefühlserinnerung, denn die empfinde ich als die ehrlichste Form.
Wie es nun mit dem Bloggen in Zukunft genau weitergeht weiß ich nicht, ich werde aber sicher dran bleiben und hie und da meinen Gedanken freien Lauf lassen und meinen Senf dazugeben, auch wenn ich ab Herbst vorwiegend aus London berichten werde, die Musical-Stadt Europas, in die es mich für ein Jahr verschlägt.
Von mir gibt es keine „Seven Facts“, sondern diesen kurzen Einblick. Vielleicht hat es jemanden interessiert, vielleicht auch nicht. So ist es jedenfalls.

Donnerstag, 11. Juli 2013

Neuentdeckung: The Graham Show

Wer Broadway.com's "Show People" mit Paul Wontorek, "WorkingInTheTheatre"-Episoden des American Theatre Wing und ähnliche Backstage-Videos liebt, die einen Einblick in Alltag, Arbeit und Menschen hinter und auf der Bühne geben, der wird auch "The Graham Show" lieben. Diese Web-Serie gibt es seit September 2012 und Graham Douglass interviewt in einzelnen Episoden "Theatermenschen" wie Adam Pascal (Rent), Casting Director Bernie Telsey (Rent, Next To Normal, Smash), John Tartaglia (Avenue Q), Christian Borle (Smash, Legally Blonde), Dramatiker Rick Elice (Jersey Boys, Peter and the Starcatcher), Julia Murney (The Wild Party) und viele andere. Ein intimer Rahmen schafft die Voraussetzung für diese interessanten Kurzvideos, von denen ich mich nur schwer wegreißen kann...meine Neuentdeckung der Woche.

...ich habe gleich mit Episode 10 gestartet. Bernie Telsey spricht u.a. über seine Anfänge als Schauspieler und Produzent, seine Non-For-Profit Company "MCC Theater" und sein Wirken als Casting Director.



LINKS:

- The Graham Show YouTube Channel
- The Graham Show auf Facebook

Next To Normal - Fast Normal. Die Besetzung.

Nun steht sie also fest, die gesamte Besetzung der deutschsprachigen Erstaufführung von "Next To Normal". "Next To Normal - Fast Normal" - Gott sei Dank wurde der englische Titel übernommen - präsentiert sechs Musicaldarsteller in seiner Cast, die mich auf den ersten Blick doch etwas verwundert haben. Ehrlich gesagt hätte ich Pia Douwes und Thomas Borchert nicht in den Rollen von Diana und Dan gesehen. Der zweite Blick jedoch, und vor allem der Blick auf die Darsteller von Gabe, Natalie, Henry und Dr. Madden/Fine, erzeugt in mir ein Gefühl der Spannung und Vorfreude auch wenn ich mit Sicherheit weiß, dass ich es wohl kaum nach Fürth zur Erstaufführung schaffen werde. Mit diesen sechs Darstellern hat das Creative Team sehr individuelle Künstler gefunden. Alle bringen die nötige schauspielerische Tiefe für diese Rollen mit, eine Furchtlosigkeit, sich diesen Charakteren zu widmen, Leidenschaft für ihren Beruf und eine besondere Ausstrahlung. Dirk Johnston und Dominik Hees als Gabe und Henry finde ich fabelhaft besetzt und ich mache mir große Hoffnungen auf ein Album mit dieser Cast, auch wenn ich mich immer etwas vor der deuschen Übersetzung graue, aber vielleicht ist Regisseur und Übersetzer Titus Hoffmann da ja etwas gelungen (ein erstes Urteil kann man sich hier bilden)...
Obwohl es nur 13 "exklusive" Vorstellungen im Stadttheater Fürth gibt (Premiere am 11. Oktober 2013) fährt das Marketing-Team eine bewundernswert engagierte Schiene. Promotion-Videos geben einen Einblick in die Backstage-Arbeiten, sei es nun Bühnenbild oder Fotoshooting, via Facebook wird ordentlich gepostet und geshared, die Homepage ist toll gestaltet und das Konzept hält sich eng an das Original (z.B. mit übergenauen, "hyper-normal" bearbeiteten Bildern und den symbolträchtigen Pixeln). Ein Produktion, die also schon im Vorhinein verspricht, was sie auch hoffentlich hält.

Die Besetzung:

Diana - Pia Douwes
Dan - Thomas Borchert
Natalie - Sabrina Weckerlin
Gabe - Dirk Johnston
Henry - Dominik Hees
Dr. Madden/Fine - Ramin Dustdar



Links:

- Next To Normal - Fast Normal
- Next To Normal - Broadway Review

Dienstag, 2. Juli 2013

Auf der Suche nach der Wahrheit - Die "neue" Sater/Sheik- Kollaboration "Arms on Fire"


Während sich in Wien das Youth Ensemble des English Theatre auf seine Premiere von "Spring Awakening" vorbereitet, feierte das neueste und zugleich älteste Projekt des Autoren-Teams Steven Sater und Duncan Sheik letzte Woche seine Weltpremiere. Unter dem Titel "Umbrage" begannen Sheik und Sater 1999, noch vor ihrer Zusammenarbeit an "Spring Awakening", ihre gemeinsame Arbeit. Doch erst 14 Jahre später kam es am 26. Juni 2013 als "Arms on Fire" zur ersten (öffentlichen) Aufführung mit der Chester Theatre Company (Regie: Byam Stevens).
Die Musicalwelt kann für eine Kollaboration wie diese überaus dankbar sein. "Pushing the boundaries" steht bei Sater und Sheik immer mit im Zentrum ihrer Arbeit. Dass Musicals sich nicht an „Konventionen“ halten müssen, sondern sich verallgemeinernden Definitionen entsagen können, indem sie z.B. der Musik neue Funktionen und Formen zusprechen, zeigten Sater/Sheik deutlich mit „Spring Awakening“. „Arms on Fire“ ist kein Musical, aber auch kein „play with songs“, das Stück versucht anscheinend erst gar nicht sich in eine Kategorie einzuordnen oder sich zu limitieren. Genau dieses Grenzen-negieren und -überwinden, dieses „Forschen“ nach neuen Wegen, zeichnet die Arbeit von Sater/Sheik aus und darin liegt, für mich, die Zukunft des Musicals. Ein weiterer Aspekt ist die Thematik der Stücke, denn auch wie in „Spring Awakening“ geht es um „finding truth, even if that truth is uncomfortable“ (Steven Sater, Amherst Bulletin). „Arms on Fire“ macht sich auf diese Suche, indem es zwei sehr unterschiedliche Menschen miteinander konfrontiert.
Auch wenn das Stück eine relativ kurze Spielzeit (26. Juni bis 7. Juli) hat, so spricht Sater in einem Interview mit dem Boston Globe bereits von Plänen es nach einer weiteren Produktion an einem Regional Theatre an ein Off-Broadway Theater zu bringen. So wie man plant und denkt so kommt es zwar nicht immer, aber die Hoffnung lebt, dass auch „Arms on Fire“ einen erfolgreichen Weg einschlägt. Einige Songs gibt es übrigens auf Duncan Sheiks Album „Phantom Moon“ (2001) zu hören…
 
LINKS:

- Boston Globe Artikel mit Video (Interview und Einblick in Proben)
- Chester Theatre Company (Produktionsinfos und Fotos)

Donnerstag, 27. Juni 2013

Bachelor-Show - Musikalisches Unterhaltungstheater - Konservatorium Wien


Die Bachelor-Show des Abschlussjahrgangs der Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater der Konservatorium Wien Privatuniversität gehört zu den Highlights meines Musical-Jahres und das mittlerweile schon seit einigen Jahren.
Jedes Jahr präsentieren sich junge Talente und zeigen was sie in den vier Jahren am Kons gelernt haben und was in ihnen steckt. Es ist jedes Mal ein Abend der (An-)Spannung, der Leidenschaft und vor allem der Emotionen. Dieses Jahr war es wohl auch – zumindest bei der Premiere – ein Abend des Schweißes, der einige weitere Herausforderungen mit sich brachte und vor allem von den männlichen Absolventen aufgrund der ständigen Mikropannen absolute Professionalität erforderte. Besonders Manuel Heuser hatte zu kämpfen und musste aus und in die Szenen springen, was er sich jedoch nicht groß anmerken ließ, sondern einfach reagierte. Nicht leicht hatte es sicher auch Johannes Nepomuk, der noch kurz vor seiner Abschlussnummer - dem emotionalen Höhepunkt seines Programmes – von einem Techniker ein Handmikrophon in die Hand gedrückt bekam. Hut ab – denn als wäre nichts gewesen sang Nepomuk trotzdem eines der emotionalen Highlights der gesamten Show mit einer Tiefe und Ehrlichkeit, die sehr berührte.

Johannes Nepomuk lieferte mit seinem gesamten Programm eine beeindruckende Performance ab, die nicht nur abwechslungsreich war, sondern auch einen weiten emotionalen Bogen spannen konnte. Die Zusammenstellung erwies sich als äußerst gelungen: ein schwungvoller Einstieg mit „Live in Living Color“ (Catch me if you can), eine wunderbar komische Nummer aus Wildhorns Wonderland  („One Knight“) samt allen (oder eher wenigen) „cheesy-moves“, die das Boyband-Spektrum zu bieten hat und diversen Gags von Ohrring bis übergroßer Anzug und Standmikro, ein bisschen „Smash“ und über den Einstieg „Immer nur lächeln“ (Das Land des Lächelns) zum Grönemayer-Abschluss „Ich hab dich lieb“ – ein Lied, mit dem Nepomuk trotz des Intermezzos den Nagel auf den Kopf getroffen hat. Die Textkomponente bestand zum Teil aus Szenen aus Woody Allens Match Point, die eine gute dramatische Entwicklung erlaubten. Alles in allem ein perfekt zusammengesetztes Abschlussprogramm, in dem Johannes Nepomuk sein Talent beweisen konnte und deswegen noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Sich so ein Programm von zwanzig Minuten auszudenken, das sämtliche Anforderungen erfüllt – sei es nun Operette und Tanz (etc.) – aber auch die individuellen Stärken herausstellt sowie vielleicht auch noch eine gewisse Bandbreite der Darstellung zeigt, stelle ich mir als sehr schwierige Aufgabe vor. Es ist meines Erachtens ein hohe Kunst in zwanzig Minuten so viel wie möglich zu zeigen und sowohl sich selbst nicht zu verlieren als auch alle Vorschriften und andere Bedenken einzuhalten. Während dieses Jahr einige Absolventen den Vogel abgeschossen haben, da sie genau diese Vorgaben sehr individuell, mit eigenem Twist, umgesetzt haben, konnten andere wiederum nicht ganz so überzeugen wie sie es in vergangenen Produktionen bereits getan haben. Alixa Kalasz ist mir noch gut aus Rent – grandios als Maureen – und Tee um Drei in Erinnerung, ihr Bachelor-Programm war etwas einseitig und vielleicht zu eng, um sich ganz entfalten zu können. Doch keine Frage, ihr Talent ist groß und Kalasz spielte, sang und tanzte souverän, überzeugen konnte sie aber vor allem in den Supporting Roles in den Programmen einiger Kollegen.
Leider auch etwas blass wirkte Manuel Walcherberger. Ich weiß nicht genau woran es lag, aber der Funke wollte nicht so ganz überspringen. Man nehme seine Darstellung in Rent – ein Collins wie man ihn sich wünscht, eine Performance, die mich nachhaltig beeindruckt hat oder auch seinen Auftritt in Tschechows Drei Schwestern letzten Sommer (Armes Theater Wien) – da konnte man sehen, was in ihm steckt. Vielleicht war es auch die Premiere, die einfach nicht so glatt gelaufen ist, denn leider konnte Walcherberger nicht alle seine Register ziehen und nur ansatzweiße sein großes Talent zeigen (wie z.B. in den „Rache“-Szenen aus „Sleuth“).

Die beiden anderen Männer im Bunde sind Manuel Heuser und Dieter Hörmann. Heuser hatte am schlimmsten mit der Technik zu kämpfen, bestand die Herausforderung jedoch bravourös. Hinein und hinaus aus der Szene – ohne Probleme, Hut ab! Sein Programm bestand aus Monologen aus Martin Heckmanns „Finnisch“, die einen roten Faden spannten und Raum für eine vielfältige Songauswahl ließen – u.a. Jonathan Reid Gealts „Quiet“, „Was hat sie nur an sich?“ (Lippas „Wild Party“) und „Feeling Good“. Erfrischend, sympathisch und perfekt auf sein Können abgestimmt. Ebenso und doch ganz anders Dieter Hörmann. Ein Unikat der Sonderklasse, dessen Programm den roten Faden roten Faden sein ließ und einfach machte. Auch das funktioniert, wenn jede einzelne Nummer so auf den Punkt gesungen und gespielt wird. Egal ob Sondheim (Nothing’s Gonna Harm You), Bernstein (Maria), Benatzky oder „Moving Too Fast“ (The Last 5 Years) mit neuem Text in „Voitrottl“-Manier. Dazwischen dann noch eine „Stumme Szene“ – passend zum Sommer, die auch nicht mit Worten beschrieben werden kann und „Auf den Flügeln des Gesanges“, ein genialer Sketch, den ich das letzte Mal bei Mark Seiberts Kons-Prüfung gesehen habe (damals mit Peter Lesiak). Eine Szene mit der Hörmann gemeinsam mit Johannes Nepomuk „abgeräumt“ hat. Überhaupt hat sich letzterer auch in den Supporting Roles nichts nehmen lassen, alles gegeben und hier noch weitere Qualitäten zu Tage befördert.
Der Preis für das kreativste Konzept geht an Tanja Petrasek, die den Leonie-Rysanek-Saal in das altbekannte „Herzblatt“-Studio umwandelte, um gleich alle drei Kandidatinnen zu spielen: die Renate mit „gewaschenem“ Dialekt aus Wien, die Susi mit S-Fehler aus St. Pölten und Katharina aus Liechtenstein, die gerne mal tschechische Art-Filme zur Entspannung schaut. Eingebettet in das Setting war u.a. Operettiges, „Mein Sinn für Stil“ (Aida) und „Männer“ (Drei Musketiere). Mit Maria Bills „I mecht so gern landen“ konnte Petrasek in einem einzigen Song zeigen, was in ihr steckt. Diese Performance ging derart ans Herz, dass man den Schmerz fast selbst spüren konnte – eine große Leistung!

Salka Weber ist ein „Triple Threat“, denn sie überzeugte auf allen drei Ebenen gleichermaßen. Ihr schauspielerisches Können kam in ihrem Programm besonders gut hervor und zusammen mit Michael Souschek spielte sie zunächst eine problematische Paarbeziehung, bevor sie sich dann den wahren Problemen dahinter in einer Gruppentherapiesitzung widmete. Gelungen zusammengesetzt mit tollen Tanz- und Gesangnummern, nur Carmens „Habanera“ zu Beginn wollte nicht so richtig. Aber das hatte man am Schluss ihrer Szene schon fast ganz vergessen. Die Monologe sprühten von natürlichem Spiel und das hat nicht losgelassen und eine ganz eigene Verbindung zum Publikum hergestellt.

Auch Franzsika Kemna konnte mit ihrem Bachelor-Programm voll und ganz überzeugen. Es schilderte die Schwierigkeiten des Künstlerdaseins sei es nun die Härte des Berufsalltags oder Beziehungsprobleme (an ihrer Seite in diversen Rollen: Adrien Papritz - großartig!) und suchte sich dann eine Fluchtmöglichkeit in einem Pakt mit dem „Teufel“ – Ruhm und Erfolg auf allen Ebenen. Auch dieses Setting ließ viel zu – von Klassiker „Maybe This Time“ und über das komische Chanson von Pigor & Eichhorn „Was willste denn in Wien?“ und Pasek & Pauls „Perfect“ (aus Edges) bis hin zur Tanznummer „Die roten Stiefel“. Ein gelungener Abschluss eines – wie immer – bunten und beeindruckenden Abends.
Etwas auffallend: ein scheinbarer – und wahrscheinlich nicht dezidiert beabsichtigter – Schwerpunkt auf Beziehung, Betrug und Sex. Irgendwie interessant, aber über Beziehungen lässt es sich ja immer gut reden...

Das i-Tüpfelchen der Bachelor-Show waren die Ensemble-Nummern, in denen sich die acht „Wegbegleiter“ noch einmal zusammen präsentieren konnten. Shreks „Freak Flag“ mit kleinem Seitenhieb auf einige Kons-Lehrende und einer großen Portion Selbstironie war definitiv ein Highlight des Abends. Mikas „Happy Ending“ war letztlich doch nicht das Ende, sondern nur die Vorstufe zum Reprise von „Freak Flag“, das ich am liebsten gleich noch ein paar Mal gesehen hätte. Herzlichen Glückwunsch an die acht Absolventen!

Dienstag, 4. Juni 2013

„a summer rose in winter" - Wenn die Seele spricht...


Man weiß, dass man etwas Unbeschreibliches gesehen hat, wenn man am Heimweg immer noch Tränen in den Augen bekommt. Ja, was soll ich sagen? Tränen über Tränen an diesem regnerischen Nachmittag und ein tief erfülltes Herz.
Wenn die Seele spricht, dann hört sich das genau so an, wie „Wenn Rosenblätter fallen“ oder eben „a summer rose in winter“. Und zwar genau so, wie gestern in einem Reading die englische Version des Musicals präsentiert wurde. Im Vorhinein wurde das Publikum gebeten nicht zu urteilen und Nachsicht zu haben, da nicht viel geprobt wurde etc. Alles vergessen, nachdem die ersten Sätze gesprochen, die ersten Lines gesungen wurden…

In dieser Besetzung, in diesem intimen, direkten Rahmen, nur mit Klavierbegleitung (von Komponist Rory Six), so finde ich dieses Musical, das an Herz und Nieren geht, am ergreifendsten. Da braucht es nichts – keine Kostüme, kein Bühnenbild, auch nicht unbedingt Requisiten (oder zumindest nur das Notwendigste). Pur. So haben die Gefühle, die beste Möglichkeit sich zu entfalten.
Denke ich an den Nachmittag zurück, kann ich es immer noch kaum fassen. Keine Worte. Als Rory Six die Pause ankündigte herrschte Stille im Raum, durchzogen von Schniefen und Rascheln der Taschentücherpackungen. Das, was in diesem Raum in den fast zwei Stunden passiert ist, lässt sich nicht wirklich beschreiben. So reduziert und konzentriert auf das Wesentliche, dieses Auf und Ab des menschlichen Daseins mit all seinen Facetten. Dieses Erforschen der Tiefen, die Glücksmomente, die überspielten Abgründe – „a summer rose in winter“ zeigt Charaktere, die einen nicht los lassen. Sie erfordern Darsteller, die die Angst hinter sich lassen und sich fallen lassen in diese Geschichte von Leben und Tod. Riccardo Greco ist DIE Idealbesetzung für Tom (ehemals „Till“). Ich weiß nicht wie und was, wenn ich ihn performen sehe. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich wieder Tränen in den Augen, weil dieser Mensch eine Gabe hat, die ich bei kaum einem je gesehen habe. Wenn Greco spielt und singt, dann gelingt es ihm, sich so zu öffnen, dass ich als Zuschauer das Gefühl habe, direkt in seine Seele schauen zu können. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich wünsche jedem, dass er genau das fühlen kann, was ich in diesen Momenten spüre. Eine Seelenverbindung zwischen Darsteller, Charakter und Zuschauer. Das ist magisch und mag jetzt so kitschig und abgedriftet klingen, wie es eben klingt – besser kann ich es nicht ausdrücken.

Marle Martens und Jacqueline Braun sind die anderen zwei im Bunde. Auch diese beiden beeindrucken. Martens und Greco – dass dieses Duo harmoniert, konnte man z.B. schon in einem gemeinsamen Video sehen – eine Verbindung, die ohne Worte funktioniert. Eine Blick, eine Umarmung sagen da mehr als tausend Worte. Ähnlich ist es auch bei Jacqueline Braun, die ebenso tief in ihre Rolle einsteigt wie Greco und von dort aus zu einer Leistung hochfährt, die einen nicht loslässt.
„a summer rose in winter“ erreicht mich auf Englisch mindestens genauso wie auf Deutsch. Die Sprache, die dieses „intimate musical“ spricht, ist eine, die jeder versteht und genau das ist das Besondere an diesem Stück. Es spricht Gefühle an, die uns alle verbinden – egal von wo wir kommen, oder wer wir sind undgenau dieses „Verbinden“ der Menschen ist die Stärke dieses Musicals. Das Reading hat mich von allen Performances, die ich bereits von diesem Stück gesehen habe, am allermeisten berührt. Zu einem wesentlichen Teil dank der Darsteller, allen voran Greco, und aufgrund der Intimität der Location und der Fokussierung auf das Wesentliche. Es gibt keine erhöhte Bühne, sondern nur Menschen, die tief in ihre Charaktere schlüpfen ohne dabei sich selbst zu verlieren, und die Menschen im Publikum. Im Kaisersaal der Klaviergalerie war gestern Nachmittag etwas Magisches zu spüren. Ich wünsche „a summer rose in winter“ und dem Team dahinter den Erfolg, den es sich verdient hat und dass die nächsten Schritte – wie z.B. ein Reading in London – erreicht werden und gelingen.

"a summer rose in winter":
Musik: Rory Six
Liedtexte: Kai Hüsgen
Buch: Kai Hüsgen und Rory Six
English Translation: David Nando, Rory Six
Zusätzliche Texte: Elen de Clercq
Notiz:  Nach einer erneuten Glanzleistung von Riccardo Greco, kann man gespannt sein, was einen beim  Musicalsommer Amstetten dieses Jahr erwartet. Nach einer enttäuschenden Inszenierung in Baden, hatte ich „Xanadu“ bereits abgeschrieben, aber vielleicht gebe ich dem Musical in dieser Besetzung doch noch eine Chance. Aber das Beste: Greco tritt im August bei MusicalUnplugged 7 auf und tja, das kann nur eines werden: GENIAL!

Links:

- "Ein Leben ohne dich" - Workshop Präsentation
- "Wenn Rosenblätter fallen" - Theater Akzent

Dienstag, 14. Mai 2013

Off-Theater: Blitze, überall Blitze - Der 1. Jahrgang der Abteilung "Musikalisches Unterhaltungstheater"


Fulminant. Grandios. Man nehme eine Hand voller Superlative und stecke sie in diese „Kritik“. Und doch – wahrscheinlich gibt es gar keine Worte für das, was der erste Jahrgang des Konservatoriums (Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater) bei seinem ersten offiziellen gemeinsamen Auftritt gezeigt hat. Es gibt nur ein Gefühl. Viele Gefühle, sehr individuell wahrscheinlich, aber dadurch „er-füllend“.

„Blitze, überall Blitze“ war ein Abend des puren Glücks, der durch und durch beeindruckt hat und nicht nur Lust auf mehr gemacht hat, sondern vor allem eines konnte: ein Lebensgefühl vermitteln – die Lust am Leben. Kurz: Es ist schön auf der Welt zu sein. So stelle ich mir Theater vor. Theater, das sich nicht scheut, den Tatsachen auf den Grund zu gehen und sich so den Fragen des Lebens stellt. Es schreckt nicht davor zurück sich menschlichen Abgründen zu widmen, weiß aber im nächsten Moment die Hoffnung im Nu wieder aufleben zu lassen. Zu so einem Theater braucht es Menschen-Darsteller. Persönlichkeiten, die fähig sind, sich in Charaktere fallen zu lassen und gleichzeitig ihren eigenen „Kern“ nicht verlieren – das ist außerordentlich schwer, es ist eine Kunst. Und ja, einige dieser neun Studenten beherrschen sie.
Dem Ruf des ersten Jahrgangs ist eine Schar gefolgt und so war der kleine Saal des Off-Theater bis auf die letzte Stufe besetzt. Dazu kam eine drückende Schwüle, die die Stimmung und das Setting des Programms – eine Dachterrasse, kurz vor einem Gewitter – perfekt unterstützt hat. Das Konzept des Abends war einfach und wirkungsvoll. Man braucht keine ausgefeilte Geschichte, wenn man „menschliche“ Situationen hat. Die Luft ist angestaut und wartet sehnsüchtig auf die Entladung der Spannung durch ein Gewitter. Menschen sind zusammengekommen und befinden sich ebenfalls in Spannung. Der Bogen überspannt sich und es folgen die unausweichlichen Konfrontationen: Blitze. Die Texte aus relativ neuen Stücken von Meike Hauk, Jens Roselt, Igor Bauersima, Oskar van den Boogaard (siehe: Theater Theater. Aktuelle Stücke 14). Verschieden und doch so zusammenhängend, weil sie unglaublich nahe am Leben dran sind. Dazwischen Musicalmelodien in einer beeindruckend vielfältigen Auswahl – jenseits des Abgedroschenen, mit einer ausgewogenen Mischung aus alt und neu.

Und der gesamte erste Jahrgang wirft sich in dieses Programm. Mit Haut und Haar und geht damit voll aufs Ganze. Diese Leidenschaft, die jeder Einzelne ausstrahlt, ist unglaublich ansteckend. Diese neun jungen Leute haben noch einen weiten Weg vor sich, jeder andere Bereiche, die er sich im Laufe der Ausbildung genauer anschauen muss, aber in ihnen allen steckt viel Potential und das überzeugt jetzt schon. Es sei einem geraten, sich selbst von diesen Leistungen zu überzeugen – Worte zu finden ist hier nicht ganz einfach. Zwischen der beeindruckenden Gesamtleistung gab es dennoch Momente, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind.
Nathanaele Koll-Valsassina, zum Beispiel, der nicht nur mit seinem zurückhaltenden „Just the way you look tonight“ dem Zuschauer den Atem raubt, sondern sich vor allem durch sein Schauspiel in einer andere Liga spielt. Die Natürlichkeit mit der er seine Sätze spricht, dieses vollkommene „im Moment sein“, diese von der Seele direkt nach außen getragenen Worte, diese gleichzeitige Lockerheit des Vortrags, das alles spielt sich jenseits der Angst ab und all das unterscheidet ihn von vielen anderen Darstellern. Scheinbar furchtlos bringt er seinen Charakter zum Leben und erreicht damit die Zuschauer auf einer ebenso tiefen Ebene. Ähnlich „straight from the heart“ agiert auch Christoph Prinz, dem jedoch hie und da noch etwas Unsicherheit im Weg steht, die aber in seinen besten Momenten plötzlich weicht und dieses „pur“ Menschliche erblicken lässt, das einen direkt packt und nicht loslässt. Sein „Broken Vow“ ging ans Mark und berührte. Auch die anderen Männer im Bunde, diesmal sind es ganze fünf, haben Momente, in denen alles aufgeht. Daniel Tejeda wirkt energetisch und dadurch immer sehr präsent. Sein „Ich fahr mit meiner Clara“ war auf den Punkt performt und bei „Tango de Roxanne“ fasst er seine Tanzpartnerin mit solcher „Passion“, das man seine Augen kaum abwenden konnte. Sowohl ihn als auch Jantus Philaretou ließ man viel auf Deutsch singen – einer Herausforderung, die beide absolut gemeistert haben. Philaretou und Nicolas Huart (äußerst kokett in "Sway") konnten ebenfalls durch und durch überzeugen, da war viel zu sehen. Mit diesen fünf Herren hat man am Konservatorium sicher eine gute Wahl getroffen, auch wenn es vielleicht bei Tejedas Aufnahmeprüfung letzten März noch nicht ganz so klar war. Einmalig war sein „Wie wird man seinen Schatten los?“ auf jeden Fall und es blieb in Erinnerung.

Von der weiblichen Riege gefielen vor allem Sophie Schweighofer und Laura Isabel Friedrich. Auch sie mit unglaublichem Pathos bei der Sache. Während Schweighofer sich Herz zerreißend in die Probleme ihrer Beziehung stürzte, bewies Friedrich nicht nur Comic Timing, sondern auch jede Menge Gefühl. Dorina Garuci wirkt ebenfalls sehr präsent und passioniert. Anna-Kristina Pinz konnte vor allem mit „Where ever he ain‘t“ zeigen, was sie stimmlich drauf hat, hat aber was das Schauspiel betrifft noch einen weiteren Weg zu gehen.
 „Blitze, überall Blitze“ zeigte nicht nur die Individualität der Studenten, sondern auch harmonisches Zusammenspiel. Von Ramesh Nair in den Ensemble-Nummern choreografiert zeigten diese Neun auch ihr tänzerisches Können, das bei manchem noch etwas aufbaufähig ist, aber sich wirklich sehen lassen kann. Isabella Fritdum hat wieder einmal ihr Händchen bewiesen einen Haufen Studenten so zu koordinieren und zu fordern, dass dieser sein Talent zeigen konnte. Begleitet wurde das Ensemble vom Ein-Mann-Orchester Peter Uwira am Flügel, der auch für die Musikalische Leitung zuständig war.

Ein Abend, der nicht nur das vorhandene Potential gezeigt hat, sondern auch die Hoffnung aufleben ließ, dass da in Zukunft noch viel mehr möglich ist. Eine Bereicherung!

Sonntag, 28. April 2013

Voulez-Vous - Abschlussshow der Performing Academy


(Musicalische) Komödien zu schreiben ist keine leichte Sache. Das weiß bestimmt auch Herr Hofbauer, der mit diversen Metropol-Musicals immer wieder daran scheitert – ich kann da jedenfalls kaum lachen. Das Problem: Humor ist nun einmal eine äußerst subjektive Angelegenheit. Genau diese „Eigenheit“ macht das Schreiben von Komödien zu einem schwierigen Unterfangen.
Nun hat sich also ein Student des Abschlussjahrgangs des Performing Centers daran gemacht für seine Kollegen und sich selbst ein Stück zu schreiben, das unterhält, die unterschiedlichen Persönlichkeiten herausstellt und dabei noch ausreichend Platz und Möglichkeit für musicalische Nummern und Tanzperformances lässt. Benedikt Karasek hat sich dieser Aufgabe gewidmet und, siehe da, sie ist gelungen. Mit viel Fingerspitzengefühl wurde da – auch von Seiten der Regie (Norbert Holoubek) – gearbeitet, denn Komödie ist immer eine Gratwanderung und läuft ständig Gefahr zu viel oder zu wenig zu wollen. Sowohl Unterforderung mit billigen Witzen, als auch Pointenreichtum, der ins Unermessliche steigt sind – für mich zumindest – Komödien-Killer. „Voulez-Vous“ schafft es aber sein Niveau bis zum Schluss zu halten. Die Story ist schlicht und nicht wirklich fordernd, doch sie bietet eine gute Basis für die humoristischen Charakterstudien und in diesem Fall ist das mehr als ausreichend. Diese Komödie will nie mehr sein als sie ist und genau das ist der springende Punkt. Die einzelnen Figuren sind mit Herz ausgearbeitet und das führt auch dazu, dass sogar ein „Twilight-Witz“ funktioniert.

Sinn und Zweck des Ganzen war es in erster Linie die elf Absolventen so zu zeigen, dass diese ihr Potential bestmöglich präsentieren können. Jeder mit einem Gesangssolo, jeder mit mindestens einer Tanznummer, jeder mit seinem schauspielerischen Können. Überraschend war dieses Jahr, dass die Schauspielleistung bei allen elf ähnlich gut war und vor allem auch ein comic timing erkennen ließ. Gerade dieses Spüren des Drives, der Sinn für Pausen, Mimik und Gestik war besonders bemerkenswert und wirkte bei einigen Ensemblemitgliedern wunderbar einfach, sicher und natürlich. Julia Edtmeier kann diese "Buttons" nicht nur in ihrem Schauspiel zeigen, sondern vor allem in den Tanznummern. Bei ihr wirkt alles exakt, aber nie angestrengt, sondern leicht und geschmeidig. Ebenso überzeugte Nicole Lubinger als „Patin“. Grandios - italienischer Akzent bis zum Ende authentisch duchgehalten, furchterregend mafiöse Ausstrahlung und eine einnehmende Aura. Melanie Böhm gefällt als Schwester Maria-Benedikta, die stark an Sister Acts‘ Sister Mary Patrick erinnert und sich ebenso keck gibt. Johanna Mucha und Benedikt Karasek verkörpern mit viel Einsatz ein bayrisches Trachtenpärchen, das sich auch gerne einmal zünftig streitet – auch hier wieder comic timing vom Feinsten. David Schuler als charmanter Oberkellner des „Voulez-Vous“ kann sich gut präsentieren, aber die Fadesse des Songs „Tief in mir“ (aus Sister Act) leider nicht retten. Tiziana Turano als „Nerdin“ Esther scheint anfänglich direkt aus „Big Bang Theory“ entschlüpft zu sein und kann vor allem mit physical comedy und schließlich mit ihrem Solo „Call the Man“ punkten. Etwas blasser, jedoch ebenfalls sehr souverän erscheinen gegen diese Kaliber Clara Mills-Karzel als Nachtclubsängerin, Michael Mayer als Glücksprinz Ernst, Clara Montocchio als etwas farblose Besitzerin des Etablissements und Sarah Est als Kritikerin, die in dieser Rolle leider nicht ihr vollstes Potential ausschöpfen konnte, das sie bereits in „Ordinary Days“ unter Beweis stellte.
Diese elf bildeten gemeinsam ein Ensemble, das sich so homogen präsentierte und gegenseitig so unterstützte, dass es ein Genuss war ihnen beim Singen, Spielen und Tanzen zuzuschauen. Vor allem die großen Ensemble-Tanznummern (Choreographie: Sabine Arthold) wie z.B. zu Jacksons „Smooth Criminal“, „We’re the Money“, „Schöne Grüße aus der Hölle“, „Voulez-Vous“ und die drei Tänzerinnen bei „Call the Man“ haben besonders beeindruckt. Da kommt pure Lebensfreude auf!

Wie jedes Jahr (und wie bei jedem Ende eines Lebensabschnittes) wurde es zum Schluss sentimental. Da fallen beim Schlussapplaus die Masken und die Menschen kommen hervor, um noch ein letztes Mal gemeinsam zu singen. Stephen Schwartzs „Changed for Good“ aus Wicked passte perfekt und traf die Gefühlslage so auf den Kopf, dass sogar das Publikum mit Tränen zu kämpfen hatte. Mich hat es jedenfalls sehr berührt.
Ein toller Abschlussjahrgang mit hoffentlich rosiger Zukunft! Man kann es ihnen allen nur wünschen.

*Image via

Dienstag, 26. März 2013

Benefiz-Konzert für Haiti: Wiener Musical Hits


Musical-Gala. Das ist immer ein Kapitel für sich. Meistens bekommt man da jene Songs präsentiert, die man schon zum Abwinken gehört hat und teilweise einfach nicht mehr hören kann. Was habe ich mich schon aufgeregt, weil wieder einmal „Memory“ oder irgendwelche anderen abgedroschenen Hits auf dem Programm standen. So eine Hit-Gala kann ganz leicht in die Hose gehen: Nichts ist schlimmer als ein Abend, der kein Ende nimmt, weil in den Zwischenmoderationen die Lebensgeschichte der Künstler und die Leidensgeschichten der Charaktere heruntergebetet wird, eben jene Hits beliebig heruntergesungen werden oder wenn eine Zugabe auf die nächste folgt und gar kein Ende mehr in Sicht ist.
Marjan Shaki und Lukas Perman luden gestern zu ihrem dritten Benefiz-Konzert für Haiti zugunsten von Sean Penns Organisation J/P HRO. Eine Gala mit „Wiener Musical Hits in Star-Besetzung“. Eine Gala, die in Erinnerungen bleiben wird, weil es ein Abend wurde, der von viel Liebe durchströmt war. Kitsch, lass nach, aber es war so. Die Haiti-Gala wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis, weil sie in einem Fluss verlief. Ohne viel Tamtam, ohne viel Drumherum, ohne epische Erzählungen oder Gerede. Man ließ die Musik sprechen und das war die beste Entscheidung.

Moderator Alexander Goebel hat mit seinem Schmäh das Publikum nur in wenigen Intermezzos zu Spenden aufgerufen, aber vor allem hat auch er betont was das Wichtigste an diesem Abend war: Herz und Mitgefühl. Liebe. So viel Schlechtes wird über unsere Welt berichtet, aber es gibt Momente im Leben, da spürt man die Hoffnung in uns Menschen und unseren Zusammenhalt so stark, dass man vergisst und einfach nur zusammen ist. Zusammen etwas erlebt. Kunst verbindet. Oftmals sind es Werke der Kunst, die dieses Gefühl der Gemeinsamkeit, der Verbundenheit in uns erzeugen. Diese Momente erfüllen mich immer mit Glück, denn sie zeigen mir, dass alles möglich ist. Die Menschen helfen zusammen, wenn es hart auf hart kommt. Wir schaffen es gemeinsam. Jeder einzelne Künstler hat gestern so einen Moment geschaffen. Ja, es waren teilweise Hits, die auf der „Liste der Abgedroschenen“ stehen, aber sie löschen sich selbst von dieser Liste, wenn es ein Darsteller schafft sich vom Song abzuheben, in dem er ihn einfach lebt – von Anfang an in ihn einsteigt und ihn uns Schritt für Schritt offenbart. Es muss etwas erzählt und etwas gefühlt werden.
Die Künstler – jeder einzelne – haben nicht nur genau das geschafft, sondern gleichzeitig auch noch von sich selbst so viel eingebracht. Ihre Freude dabei zu sein, ihre Leidenschaft auf der Bühne zu stehn, ihr Vergnügen mit ehemaligen Bühnenpartnern zu singen und ihre Erinnerung an eine Zeit ihres Lebens. All das wurde auch für das Publikum erfahrbar. Da war so viel Herzblut zu sehen, dass sowohl Darsteller als auch Zuschauer Tränen in den Augen hatten. Es war ein kurzweiliger Abend, der einen Song nach dem anderen harmonisch ineinanderfließen ließ. Ohne unnötiges Geplapper dazwischen, ohne die x-te Verbeugung. Als Zuschauer konnte man sich ganz den Songs hingeben und sich in ihnen fallen lassen. Selten habe ich so etwas bei einer Musical-Gala erlebt. Erinnerungen an die eigenen Musical-Erlebnisse kamen zurück, sei es nun durch die vertrauten Stimmen oder im Falle von „Romeo und Julia“ sogar durch die Originalkostüme – eine schöne Idee, bei der ich irgendwie sentimental und nostalgisch wurde.

Highlights gab es viele, denn jeder Künstler hat sich – begleitet vom wunderbaren VBW-Orchester (unter der Leitung von Koen Schoots) – so hineingeworfen, dass jede Nummer zu einem kleinen Erlebnis wurde. So konnte man nicht nur die Songs, sondern auch die Darsteller neu schätzen lernen, wie die warmen Stimmen von Maya Hakvoort und Barbara Obermeier, die Lockerheit und der Esprit von Thomas Borchert und Andreas Bieber, die Weiblichkeit und Power von Carin Filipčic, die Natürlichkeit und Herzlichkeit von Wietske van Tongeren, die Leidenschaft von Marjan Shaki. Uwe Kröger hat - nach den Reaktionen zu schließen - seinen Platz als Publikumsliebling immer noch inne, auch wenn er dem Tod stimmlich nicht mehr gewachsen ist, hat er im Duett mit Wietske van Tongeren („Jenseits der Nacht“ – Rebecca) überzeugt. Annemieke van Dam hat viel Drive in ihre Performances gebracht, wenn auch hie und da etwas zu übertrieben, dennoch sehr passioniert. Mein persönliches Highlight war allerdings Mark Seibert mit „Gethsemane“. Ein Song, der mir zu jeder Jahreszeit durch Mark und Bein geht, ganz besonders natürlich jetzt. Für dieses Bühnenerlebnis gestern gibt es kaum Worte. Seibert ist so eingestiegen, hat alles gegeben und den Song, den Charakter gelebt. Nichts macht das beschreibbar. Tränen sind geflossen und mir bleiben die Worte aus.

Nach der Scheckübergabe und Grußbotschaft von Sean Penn schloss Wietske van Tongeren und das Ensemble mit einem berührenden „What I Did For Love“. Eine Zugabe gab es dann noch. Gott sei Dank nur eine. Bei aller Liebe, es gibt nichts Schlimmeres als einen „runden“ Abend, der durch die Aneinanderreihung von Zugaben aus den Fugen gerät und man es kaum noch aushält. Nein, auch dieser „Fauxpas“ wurde nicht begangen. Udo Jürgens‘ „Heute beginnt der Rest deines Lebens“ erzeugte vielleicht beim ein oder anderen ein Augenrollen, doch die Wahl des Songs stellte sich als gut heraus. Die Nummer hat Drive, sie reißt mit und die Message hat irgendwie gepasst. Ein gelungener Abschluss, wie ich finde.
Ein Abend voller Emotionen, eine Wohltat für die Musical-Seele.

Sonntag, 3. Februar 2013

Swinging St. Pauli - Konservatorium Wien


Erhard Pauer hat mit den Studenten der Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater wieder einmal Großartiges vollbracht. Musical in Bestform, das im Kleinen so besonders ist, dass es viel „Großes“ einfach so wegpusten kann. „Swinging St. Pauli“, das „kleine“ deutsche Musical (UA: 2001 am Hamburger Tivoli Theater) ans Konservatorium zu holen war – wieder einmal – eine neue und gute Idee.
Erwartet habe ich mir weit mehr Swing, doch dass darauf gar nicht der Fokus liegt, wurde mir bald klar. Hier geht es um etwas Anderes: Um Widerstand, der zwar im Kleinen seinen Ausdruck findet, aber eigentlich der Aufstand gegen das nationalsozialistische Regime ist. Die Bühne des Leonie-Rysanek-Saals (Bühnenbild: Timo Verse) wurde umfunktioniert und die Zuschauer konnten von zwei Seiten in das Geschehen eintauchen. Kleine Bartische gaben das Gefühl direkt vor Ort zu sein – mitten drinnen in „Leo’s Bar“, mitten drinnen in unser aller Vergangenheit. Da erlebt man Adrien Papritz und Rafael Weissengruber als Nazis, die einen das Schrecken lehren und die ihre Rollen so glaubhaft und eindringlich spielen, dass mir das Blut in den Adern gefror und die Vorstellung, dass es „damals“ wirklich so zugegangen sein muss, mir den Atem nahm. An Papritz Darstellung als Obersturmbandführer könnte sogar Quentin Tarantino Gefallen finden, so „gut“ böse spielt er seine Rolle. Das sind die Schlimmsten – jene „Bösen“, die oberflächlich auf gerecht und menschlich machen und ihre Eiseskälte erst nach und nach herauslassen, um dann in einer Grausamkeit zu enden, die kein Pardon kennt. Adrien Papritz gelang es diese Balance diffizil herauszuarbeiten und das gesamte Stück hindurch aufrecht zu halten – eine meisterhafte Leistung. Ihm zur Seite stand Rafael Weissengruber, der einen „offensichtlicheren“ Nazi spielte. Auch wenn er noch an der Ausführung seiner „Watschen“ feilen könnte – zumindest am Premierenabend verliefen die noch nicht so glatt – so löste er das Gefühl aus, dass man ihm lieber nicht auf der Straße begegnen würde. Seine Rolle als Arnold Stenzel bekam durch seine Performance ein gewaltiges Maß an Unberechenbarkeit und das flößt Angst ein.

Ebenso schauspielerisch brillant zeigte sich Judith von Orelli als Emma Löwenstein. Ihr „Mein Lied für dich“ hat tief berührt und auch sonst spielt sie ergreifend ehrlich. Hier ist – auch im Zusammenspiel mit Steven Klopp  als „Love Interest“ Max Waldeck – nichts zu süßlich (wie z.B. auf der CD Aufnahme des Original Hamburg Cast), sondern alles erdig und authentisch. Dem kommt allerdings die Nummer „Du bist da“ nicht entgegen. Ein Schnulzsong der Sonderklasse, den ich zusammen mit „Leben ohne sie“ zum Wohle des Stückes gestrichen hätte bzw. gar nicht darin aufgenommen hätte, auch wenn sie einzeln angehört ganz nett klingen. Hier kann man sich vorstellen, warum es Menschen gibt, die das Genre Musical als „seicht“ und „schnulzig“ abtun. „Leben ohne sie“ beginnt mit einem in epischer Breite gesungenen „Sag wie kannst du so einfach gehen, wie soll ich das hier je verstehen, dieser Albtraum wird nie vergehen“, das bei mir leichten Würgereiz erzeugt hat. Das Lied nimmt dann an Fahrt auf, aber eigentlich braucht es das Musical nicht – auch wenn Marcel-Philip Kraml überzeugend um seine verstorbene Geliebte trauert. Doch nach dieser grausamen Ermordung ist Oskar Leonhardts Motto „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“ vielleicht doch das Bessere: Ein paar wenige Worte und Tränen hätten gereicht.

Jil Clesse und Kraml geben ein charmantes Paar, auch wenn von Beginn an nicht unbedingt gleich ersichtlich ist, dass die beiden „zusammengehören“. Entzückend schüchtern spielen Lawrence Karla und Marja Hennicke das aufblühende Liebespaar Heinrich Koch und Beate Stenzel. Überhaupt ist die Inszenierung von „Swinging St. Pauli“ am Kons eine überaus gelungene Ensemble-Leistung. Das Zusammenspiel gelingt so reibungslos, dass der Bogen der Geschichte sich wunderbar entfalten kann und jeder Einzelne – auch in den kleinen Rollen – hat die Möglichkeit sich einzubringen. Ganz besonders sticht da auch Glenna Weber hervor, die in den Tanznummern von innen heraus strahlt, dass es besonders Freude macht, ihr zuzusehen.
Michael Souschek als Oskar Leonhardt ist das verbindende Element, das die Geschichte zusammenhält. Er spielt mit Pathos und überzeugt – auch wenn er je offensichtlicher es wird, dass der Barbesitzer schwul ist, dies immer exzessiver in seinem Spiel betont und in seine Gestik aufnimmt – irgendwie etwas verwirrend. Souschek thront als Widerstandskämpfer des Untergrunds über den Szenen und spielt seine Rolle bis zum Schluss äußerst einnehmend.

Die Tanzszenen– der Swing – sind mitreißend und von Christoph Riedl spritzig choreografiert. Was für eine beeindruckende Leistung des gesamten Ensembles – vor allem auf diesem wenigen Platz. Hut ab!
Die Inszenierung selbst bietet einige clevere Kniffe – so wird Paul Schmidt zu Paula (genial: Ruth Hausensteiner), was dem Musical einen weiteren Kick gibt und durch die Rolle von David Rodriguez Yanez, der die Szenen beobachtet und sich dabei immer wieder Notizen macht, wird dem Publikum genügend Raum für Interpretation gelassen. Das Stück endet mit „Zoom“ auf das Buch. Überhaupt ist alles sehr filmisch inszeniert. „Pace“ und Details sind gut abgestimmt und machen es dem Publikum leicht in die Story einzusteigen. Fallen Schüsse ist man ebenso erschrocken und betroffen wie die Charaktere. Gleichzeitig kann man aber auch Distanz bewahren – das Musical „swingt“ zwischen den Schatten der Vergangenheit „wie im Film“ und einem „tatsächlichen“ Erleben hin und her. Genau das macht die Inszenierung von Erhard Pauer noch spannender für die Zuschauer.

Musikalisch hat „Swinging St. Pauli“ einiges zu bieten. Zwischen Swing und Schnulzballaden ist viel dabei, z.B. ein "Erklär mir die Frauen"-Cha Cha Cha und - besonders mitreißend - die Ensemble-Nummer „Nur noch kurze Zeit“.
„Swinging St. Pauli“ ist eine weitere gelungene Produktion der Konservatorium Wien Privatuniversität. Eine, die in Erinnerung bleibt und Vorfreude auf die Operettenproduktion der Abteilung (Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“) Ende Mai macht.

LINKS:

- Konsical. Homepage der Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater
- Fotos zur Inszenierung

Mittwoch, 23. Januar 2013

I love you, you're perfect, now change - Kulturszene Kottingbrunn


Vier Mönche betreten in Kutten gekleidet summend die Bühne und verkünden dem Publikum von der Schöpfung von Mann und Frau. Mysteriös lässt sich dieses Stück zunächst an und bleibt es auch irgendwie, wenn wir uns der Tatsache bewusst werden, dass Liebe eigentlich immer etwas sein wird, das sich nicht fassen, sondern nur fühlen lässt.
„I love you, you’re perfect, now change“ spielt mit diesem Mysterium und erzählt Episoden aus dem (Zusammen-)Leben von Mann und Frau – Szenen aus dem Beziehungsalltag, Gefühlsaufnahmen unserer oftmals inneren Verschrobenheit wenn es um das Thema Liebe geht und die doch erschreckenden Wahrheiten, mit denen jeder von uns konfrontiert wird. Hier geht es zwar vorranging um Liebesbeziehungen, doch fasst dieses Musical viel weiter. Es betrifft menschliche Beziehungen in all seinen Ausprägungen und spielt auf Problematiken an, mit denen wir uns auch unabhängig von unserer Partnerwahl auseinandersetzen müssen: Sei es der Wunsch nach Anerkennung und die damit verbundenen „Notlügen“, Überdramatisierung von nichtigen Sachverhalten, Eltern-Kind-Beziehungen oder die Erwartungshaltungen, die wir an uns selbst und andere stellen.

Karin Seyfried, Nicole Christina Rest-Lankmayer, Oliver Arno und Martin Pasching spielen eine Vielzahl an Charakteren und spiegeln in Szenen uns selbst. Dies erzeugt wiedererkennendes Lachen, an dem man sich aber gleich im nächsten Moment wieder verschlucken kann, ist diese Wiedererkennung vielleicht nicht immer allzu „erfreulich“. Dieses kleine, aber feine Musical macht uns einiges bewusst und vermittelt uns doch die frohe Botschaft, dass wir alle im selben Boot sitzen. Eigentlich erleichternd! Vor allem wenn wir es doch schaffen über unsere "Unverbesserlichkeit" zu lachen.
Eine gute Komödie – und die haben Joe Di Pietro und Jimmy Roberts (Übersetzung Alexander Kuchinka) hier geschrieben – muss für mich immer auch Momente haben, in denen die Geschwindigkeit kurz reduziert wird, um sich wieder Überblick verschaffen zu können. Auch diese Seite kann „I love you, you’re perfect, now change“ bedienen. So fällt mir da vor allem Karin Seyfried als Singlefrau in den mittleren Jahren ein, die sich gezwungen sieht ihr erstes Date-Video zu drehen, um mit der Tatsache fertig zu werden, dass sie von ihrem Mann verlassen wurde. Oder das verzagte Kennenlernen eines Witwers und einer Witwe, die auch in der Liebe zu ihren verstorbenen Partnern eine Verbindung finden.

Oliver Arno, Martin Pasching, Karin Seyfried und Nicole Christina Rest-Lankmayer spielen und singen so einnehmend und passioniert, dass es ihnen trotz „Augenzwinkern“ immer wieder gelingt eine griffige Verbindung zum Zuschauer herzustellen. Sie finden die richtige Balance, um die Themen des Stücks zu transportieren. Etwas Besseres kann ihnen nicht passieren. Regisseur Peter W. Hochegger hat hier für ein sehr harmonisches Zusammenspiel gesorgt – unterstützt von Bernhard Viktorin, der erstmals als Regieassistent agierte. Helmut Strobl und Bernhard van Ham begleiteten als Zwei-Mann-Kombo das musikalische Geschehen – tja, man braucht tatsächlich nicht mehr, um gutes Musical zu machen.
Die Kulturszene Kottingbrunn zeigt mit dieser Produktion, dass es sich wirklich auszahlt, einen Ausflug ins Umland von Wien zu machen. Auch hier gibt es großartiges Musical!

„I love you, you’re perfect, now change“ ist noch bis 17. Februar zu sehen. Karten gibt es hier.
 
LINKS:
 
 

Samstag, 19. Januar 2013

Spotted: Next To Normal - Fast Normal. Die Audition

Next To Normal - Fast Normal. Das wird eine der spannendsten Premieren, die wir dieses Jahr im deutschsprachigen Raum erwarten dürfen. Was für ein Coup für das Stadttheater Fürth! Ich kann es kaum erwarten und giere nach Updates auf der Facebookseite. Jetzt ist ein Video-Clip mit Eindrücken von den Auditions online gestellt worden und tja - ich freue mich noch viel mehr darauf, als vorher, denn da bekommt man schon einige vielversprechende Gesichter zu sehen. Über 1000 Bewerber für 6 Rollen - hier wird hart gekämpft, um die Darstellung einiger der begehrtesten Charaktere des Genre Musical.

Spotted u.a. (wenn ich mich nicht irre): Alex Melcher, Tobias Bieri, Johanna Spantzel, Dirk Johnston, Sabrina Weckerlin, Patrick Stamme...und einige mehr.

Ich hoffe wir werden bald erfahren wer das Rennen gemacht hat - ich freu mich darauf!



LINK:

- Next To Normal - Fast Normal auf Facebook

Montag, 14. Januar 2013

West End Winters

New Year, New Beginnings und Liebe als Thema eines wunderbaren Konzertabends - „West End Winters“. Ein Thema, das vielfältiger nicht sein könnte. Ein Thema, das geeigneter nicht sein könnte.

Es fällt schwer über diesen Abend zu schreiben, ist er doch irgendwie sehr persönlich gewesen. Mag es das Thema Liebe sein, das so persönlich ist, die intime Location oder die ungezwungene Atmosphäre – alles mischte mit. Es war ein gelungener Abend, den man als Zuschauer so unglaublich individuell erleben konnte. Das klingt vielleicht komisch, weil man ja schließlich alles „individuell“ erlebt und rezipiert, jedoch schaffte es „West End Winters“ sowohl ein persönliches Erlebnis und letztlich persönliche Erinnerung zu werden und nebenbei ein ganz eigenes Gefühl der Zusammengehörigkeit zu schaffen.

Organisiert wurde das Konzert vom Vienna Theatre Project und was Joanna Godwin-Seidl hier auf die Beine gestellt hat verdient größten Dank. In den „Director’s Notes“ schreibt sie von (Kindheits-)Träumen, die sich an diesem Abend erfüllen sollten und ja, es haben sich Träume erfüllt und es sind neue entstanden. „West End Winter“ war tatsächlich ein Abend zum Träumen. Ein Abend, der Herzenswärme in einer rauen Winternacht, um es romantisch auszudrücken.

Kieran Brown (what a voice!) und Caroline Frank zeigten in einem abwechslungsreichen Programm was Liebe alles bedeuten kann. Begleitet wurden sie von Musical Director Birgit Zach, die schon aufgrund ihrer Schwangerschaft viel Liebe in den Raum brachte.

„True happiness is being in the middle of a really beautiful song“ – so beschreibt Godwin-Seidl ihren “Musical Dream” und es stimmt, wenn es Künstler schaffen, so in sich anzukommen, einen Song zu performen, als wäre es ihr eigener und das dem Publikum zu vermitteln. Brown und Frank scheuen sich nicht davor, ganz in die Zeilen und Melodien der Songs einzusteigen und sich dabei scheinbar verletzlich zu machen. Es ist pure Glückseligkeit den beiden zuzuhören und -schauen. Da sitzt man im Publikum und ist gebannt von all den Gefühlen und Eindrücken, die da auf einen einwirken. Da steigt man selbst ganz tief mit ein und schafft so eine wundersame Zuschauer-Darsteller-Rollen-Verbindung, die einen im Moment – und auch nach dem Konzert – nicht loslässt.

Die Songauswahl – perfekt. Eine gute Mischung mit Konzept, vieles von „Underground“-Musicalkomponisten a la Scott Alan, Jason Robert Brown, William Finn, Adam Gwon und Kooman & Dimond („Cubicle of Love“ – what a great song!) und keine „never ending story“. Vielfältig, mit Bogen, Höhen und Tiefen im Sinne der „Stimmungen“ der einzelnen Songs und mit viel Herz.
Highlights? Sucht man sich eines aus, kommt einem sofort ein anderes in den Sinn – also: jedes einzelne Lied für sich, im Moment. Jede Performance zog mich selbst so in den Moment hinein, dass ich als Zuschauer gegenwärtig sein konnte, ein irgendwie immer selten werdender Effekt.

Als Special Guest war Singer-Songwriter Doug Andrews geladen, der mit seinem Song „Muse“ zu dieser „speziellen“ Stimmung des Abend beitrug und dessen CD („absaraka runoff“) ich gerade und schon die letzten Tage rauf und runter höre – perfect remedy for winter blues!

DANKE!
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