Dienstag, 26. März 2013

Benefiz-Konzert für Haiti: Wiener Musical Hits


Musical-Gala. Das ist immer ein Kapitel für sich. Meistens bekommt man da jene Songs präsentiert, die man schon zum Abwinken gehört hat und teilweise einfach nicht mehr hören kann. Was habe ich mich schon aufgeregt, weil wieder einmal „Memory“ oder irgendwelche anderen abgedroschenen Hits auf dem Programm standen. So eine Hit-Gala kann ganz leicht in die Hose gehen: Nichts ist schlimmer als ein Abend, der kein Ende nimmt, weil in den Zwischenmoderationen die Lebensgeschichte der Künstler und die Leidensgeschichten der Charaktere heruntergebetet wird, eben jene Hits beliebig heruntergesungen werden oder wenn eine Zugabe auf die nächste folgt und gar kein Ende mehr in Sicht ist.
Marjan Shaki und Lukas Perman luden gestern zu ihrem dritten Benefiz-Konzert für Haiti zugunsten von Sean Penns Organisation J/P HRO. Eine Gala mit „Wiener Musical Hits in Star-Besetzung“. Eine Gala, die in Erinnerungen bleiben wird, weil es ein Abend wurde, der von viel Liebe durchströmt war. Kitsch, lass nach, aber es war so. Die Haiti-Gala wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis, weil sie in einem Fluss verlief. Ohne viel Tamtam, ohne viel Drumherum, ohne epische Erzählungen oder Gerede. Man ließ die Musik sprechen und das war die beste Entscheidung.

Moderator Alexander Goebel hat mit seinem Schmäh das Publikum nur in wenigen Intermezzos zu Spenden aufgerufen, aber vor allem hat auch er betont was das Wichtigste an diesem Abend war: Herz und Mitgefühl. Liebe. So viel Schlechtes wird über unsere Welt berichtet, aber es gibt Momente im Leben, da spürt man die Hoffnung in uns Menschen und unseren Zusammenhalt so stark, dass man vergisst und einfach nur zusammen ist. Zusammen etwas erlebt. Kunst verbindet. Oftmals sind es Werke der Kunst, die dieses Gefühl der Gemeinsamkeit, der Verbundenheit in uns erzeugen. Diese Momente erfüllen mich immer mit Glück, denn sie zeigen mir, dass alles möglich ist. Die Menschen helfen zusammen, wenn es hart auf hart kommt. Wir schaffen es gemeinsam. Jeder einzelne Künstler hat gestern so einen Moment geschaffen. Ja, es waren teilweise Hits, die auf der „Liste der Abgedroschenen“ stehen, aber sie löschen sich selbst von dieser Liste, wenn es ein Darsteller schafft sich vom Song abzuheben, in dem er ihn einfach lebt – von Anfang an in ihn einsteigt und ihn uns Schritt für Schritt offenbart. Es muss etwas erzählt und etwas gefühlt werden.
Die Künstler – jeder einzelne – haben nicht nur genau das geschafft, sondern gleichzeitig auch noch von sich selbst so viel eingebracht. Ihre Freude dabei zu sein, ihre Leidenschaft auf der Bühne zu stehn, ihr Vergnügen mit ehemaligen Bühnenpartnern zu singen und ihre Erinnerung an eine Zeit ihres Lebens. All das wurde auch für das Publikum erfahrbar. Da war so viel Herzblut zu sehen, dass sowohl Darsteller als auch Zuschauer Tränen in den Augen hatten. Es war ein kurzweiliger Abend, der einen Song nach dem anderen harmonisch ineinanderfließen ließ. Ohne unnötiges Geplapper dazwischen, ohne die x-te Verbeugung. Als Zuschauer konnte man sich ganz den Songs hingeben und sich in ihnen fallen lassen. Selten habe ich so etwas bei einer Musical-Gala erlebt. Erinnerungen an die eigenen Musical-Erlebnisse kamen zurück, sei es nun durch die vertrauten Stimmen oder im Falle von „Romeo und Julia“ sogar durch die Originalkostüme – eine schöne Idee, bei der ich irgendwie sentimental und nostalgisch wurde.

Highlights gab es viele, denn jeder Künstler hat sich – begleitet vom wunderbaren VBW-Orchester (unter der Leitung von Koen Schoots) – so hineingeworfen, dass jede Nummer zu einem kleinen Erlebnis wurde. So konnte man nicht nur die Songs, sondern auch die Darsteller neu schätzen lernen, wie die warmen Stimmen von Maya Hakvoort und Barbara Obermeier, die Lockerheit und der Esprit von Thomas Borchert und Andreas Bieber, die Weiblichkeit und Power von Carin Filipčic, die Natürlichkeit und Herzlichkeit von Wietske van Tongeren, die Leidenschaft von Marjan Shaki. Uwe Kröger hat - nach den Reaktionen zu schließen - seinen Platz als Publikumsliebling immer noch inne, auch wenn er dem Tod stimmlich nicht mehr gewachsen ist, hat er im Duett mit Wietske van Tongeren („Jenseits der Nacht“ – Rebecca) überzeugt. Annemieke van Dam hat viel Drive in ihre Performances gebracht, wenn auch hie und da etwas zu übertrieben, dennoch sehr passioniert. Mein persönliches Highlight war allerdings Mark Seibert mit „Gethsemane“. Ein Song, der mir zu jeder Jahreszeit durch Mark und Bein geht, ganz besonders natürlich jetzt. Für dieses Bühnenerlebnis gestern gibt es kaum Worte. Seibert ist so eingestiegen, hat alles gegeben und den Song, den Charakter gelebt. Nichts macht das beschreibbar. Tränen sind geflossen und mir bleiben die Worte aus.

Nach der Scheckübergabe und Grußbotschaft von Sean Penn schloss Wietske van Tongeren und das Ensemble mit einem berührenden „What I Did For Love“. Eine Zugabe gab es dann noch. Gott sei Dank nur eine. Bei aller Liebe, es gibt nichts Schlimmeres als einen „runden“ Abend, der durch die Aneinanderreihung von Zugaben aus den Fugen gerät und man es kaum noch aushält. Nein, auch dieser „Fauxpas“ wurde nicht begangen. Udo Jürgens‘ „Heute beginnt der Rest deines Lebens“ erzeugte vielleicht beim ein oder anderen ein Augenrollen, doch die Wahl des Songs stellte sich als gut heraus. Die Nummer hat Drive, sie reißt mit und die Message hat irgendwie gepasst. Ein gelungener Abschluss, wie ich finde.
Ein Abend voller Emotionen, eine Wohltat für die Musical-Seele.
Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...