Mittwoch, 30. September 2015

Premiere: Marry Me a Little - Theater Drachengasse // vienna theatre project

Der Funke von „Marry Me a Little“ ist zu mir nicht übergesprungen. Es hat mir für das, was es ist, zu wenig Tiefgang und um pure Unterhaltung zu sein, ist es mir zu wenig unterhaltsam. Es könnte doch aber mehr sein, die Ausgangsidee ist ja eine sehr reizvolle, eine, aus der man etwas Herausholen hätte können. Das vienna theatre project hat sich genau das zum Ziel gesetzt und möchte die Geschichte etwas weiterschreiben. Was passiert, wenn man versetzt wird und sich an einem Samstag Abend mit einem selbst auseinandersetzen muss, während man über Verflossene, neue Lieben, Erwartungen, Sehnsüchte und Beziehung nachdenkt? Eine interessante Frage. Eine Frage, die viel dramatisches Potenzial hätte, doch reichen mir Stephen Sondheims Songs da nicht aus.

Joanna Godwin-Seidl hat eine gute Inszenierung abgeliefert, aber auch sie kann für mich den Funken nicht zum Überspringen bewegen. In manchen Momenten beginnt es zu knistern, aber dann verliert sich das Stück wieder.  Ich liebe das vienna theatre project sehr – so muss Theater gemacht werden. Doch leider ist diese Produktion nicht so mitreißend, wie es schon so viele andere zuvor waren. Die Stückauswahl hat mich überrascht und auch wenn es sich um eine gute Inszenierung handelt, so scheitert sie am Stück selbst, das aus meiner Sicht einfach nur als „passabel“ zu bezeichnen ist.

Der Star des Abends ist das Bühnenbild. Richard Panzenböck hat dabei tolle Arbeit geleistet. Es ist so fantasievoll wie funktional und lässt viel Spielraum für die Regie. Godwin-Seidl nützt es für liebevolle Details und Twists, lässt Momente aus dem Bühnenbild entstehen, die mehr Tiefgang haben als sonst etwas. Die Farben Blau und Gelb stehen für „He“ und „She“ und lassen somit Verbindungen und Trennungen entstehen, verschmelzen und bilden Kontraste – eine wunderschöne Spielerei für das Auge und das Herz. Die blauen Blumen in der gelben Vase, das vergangene Märchen auf dem gelben Zettel zwischen blauen Pokalen,...

Jacqueline Braun und Tim Hüning sind SIE und ER, die alleine und manchmal doch irgendwie zusammen über die Liebe sinnieren. Beide bringen viel Charme in die Rollen, vor allem Braun bezieht mich als Zuschauer schnell in das Geschehen mit ein. Schwerelos spielt und singt sie mit viel Gefühl. Hüning gewinnt durch seine Ausstrahlung, doch kann er stimmlich nicht so ganz mithalten. Singt er in die entgegengesetzte Richtung versteht man leider kein einziges Wort und gerade das wäre so wichtig bei Sondheim. Im Theater Drachengasse muss nicht verstärkt werden und ich mag das – es fühlt sich direkter und purer an. In diesem Fall jedoch stellt die fehlende Verständlichkeit ein Hindernis dar, denn der Zuschauer muss sich anstrengen, um etwas von dem Gesungenen mitzubekommen. Schade. Jacqueline Braun tut sich mit ihrem kräftigen Organ einfacher. Ihre Leichtigkeit ist bemerkenswert.


„Marry Me a Little“ ist nicht ganz „my cup of tea“, aber dennoch ist der Abend kurzweilig und schon alleine deshalb einen Besuch wert, um das vienna theatre project zu unterstützen und den idealen Einsatz eines äußerst gelungenen Bühnenbildes zu bewundern.


"Marry Me a Little" läuft bis 10. Oktober 2015 im Theater Drachengasse.

Weitere Informationen und Karten gibt es hier:

Montag, 14. September 2015

Mozart! - Ein Preview-Review.

Verpönt hin oder her. Eine Preview zu rezensieren wird nicht gerne gesehen, aber warum eigentlich? Ich habe eine Vorstellung gesehen, ich weiß, dass noch daran gearbeitet wird (hoffentlich), ich tue meine Meinung kund, denn

Erstens: hab ich für diese Vorstellung bezahlt.
Zweitens: ist Feedback laut Intendanz erwünscht.
Drittens: ist hier Platz dafür.
Viertens: will ich etwas loswerden und
Fünftens: muss es ja keiner lesen.

Mozart!“ ist also „back in town“. Grundsätzlich ist diese Entscheidung der Vereinigten Bühnen eine, die in mir einen Zwiespalt erzeugt. Wieder eine Produktion, die nach einigen Jahren und Welterfolg „heimkehrt“. In einer „neuen Fassung“. Gut, also wenn ich jetzt in mich gehe, dann gibt es da mehrere Wortmeldungen: Wenigstens nicht wieder etwas Eingekauftes und eins-zu-eins Nachproduziertes. Wenigstens eine Eigenproduktion. Warum wieder etwas „aufwärmen“, wo ist das Neue? Von mir aus die Hits an den großen Häusern, wenn wenigstens irgendwo irgendetwas Kreatives, Kleines, Experimentelles, Neues ausprobiert würde – auf der Probebühne zum Beispiel. Warum geht das nicht? Warum sehen sich die VBW nicht dafür verantwortlich das Genre aufzuwerten und seine Vielfalt zu präsentieren?
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass ich mich mit dem „Wenigstens“ begnügen muss, um mich selbst bei Laune zu halten und nicht einer Musical-Depression zu verfallen.
Aber dieses „Wenigstens“ scheitert leider auch. Es scheitert an dieser „Neufassung“ von Mozart!, die ich nur als eigenständiges Gebilde kritisieren kann, da ich die Uraufführungs-Version damals nicht gesehen habe.

Gestern also – und es sei noch einmal dazu gesagt, dass es sich um eine Preview handelt – habe ich Mozart! zum ersten Mal nach der konzertanten Aufführung 2006 gesehen. Levay und Kunze haben hier ein Musical geschrieben, das dramatisch und psychologisch interessant ist, das Mozart als Mensch zeigt, mit Fehlern und Genius, Kindlichkeit und Hitzköpfigkeit und dem Zwiespalt des Künstler-Daseins. Genial. Die Umsetzung von Harry Kupfer ist jedoch enttäuschend. Wenn ein Regisseur einen Stil hat ist das nicht verwerflich, doch wenn er sich selbst kopiert schon. Und das tut Kupfer. Mozart! ähnelt der neuen Fassung von „Elisabeth“ gar sehr. Bühnenbild-Projektionen, Choreographie von Dennis Callahan...irgendwie unkreativ, weil zu ähnlich. Unabhängig davon sind die Projektionen gelungen – nein, das widerspricht sich nicht. Es sind nur viel zu viele. Das Publikum braucht keinen ständigen Wechsel, es hat Vorstellungskraft, die es benützen möchte. Ich brauche kein extra Bild für „Irgendwo wir immer getanzt“, ich kann mir den Saustall vorstellen. Der schnelle und unnötige Wechsel ist hektisch und hilft auch nicht darüber hinweg, dass die Szenen nicht nahtlos ineinander übergehen. Der erste Akt wirkt noch wie eine holprige Aneinanderreihung von Szenen, die Übergänge sind wenig „smooth“ und die Handlung kommt dadurch kaum in Schwung. Die Zeit vergeht nicht und mein Interesse schrumpft. Und die Darsteller sind gefangen in dieser Falle, sie spielen dagegen an, doch was bleibt ist ihre Einzelleistung und weniger die Geschichte und das „zwischenmenschliche“, gemeinsame Spielen.
Das ist sehr schade, denn Oedo Kuipers ist ein wunderbarer Mozart. Er spielt mit ganzer Seele. Sein Einsatz ist unglaublich und zeigt die innere Zerrissenheit und den Drang des Genies, die Unermüdlichkeit des Künstlers. Bis ins Blut geht diese Performance. Thomas Borchert macht sein Ding. Er ist – wie immer – unerschütterlich und souverän. Barbara Obermeier ist eine herzerwärmende Nannerl – „Der Prinz ist fort“, eine Nummer, die ich eigentlich nicht leiden kann, gelingt ihr sehr gefühlvoll und wird zu einer Szene, die das Stück zu diesem Zeitpunkt so dringend braucht. Auch Franziska Schuster als Constanze spielt ihren Part sehr würdig und glaubhaft.
Mark Seibert lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, egal ob von Orchester (viel zu laut, es wirkt so angestrengt) oder Regie (wie lächerlich ist die Kutschenfahrt-Szene), er macht sein Ding und liefert. Johannes Glück als Schikaneder beglückt mit wohltuendem Wienerisch im Ohr, allerdings sind seine Auftritte immer schlecht getimt. Jon Geoffrey Goldsworthy als Graf Arco ist eigentlich ein guter Typ, doch ich habe kaum etwas verstanden.
Ana Milva Gomes – schön. Einfach nur schön. Und da ist auch die Regie zu loben (ebenso wie beim Einsatz der Stühle - das funktioniert bestens!), die Bühne für ihre Szenen in Blau zu färben ist eine gute Idee und die Baronin hält somit wenigstens einige der Szenen gut zusammen. Gomes ist ideal besetzt – auch wenn ich zugegeben etwas skeptisch war.

Es ist noch einiges zu überdenken, wie ich meine, und es wird noch gearbeitet. Eine gute Woche ist noch Zeit, um ein bisschen mehr Liebe und Geschmeidigkeit hineinzubringen. Einige Szenen müssen fließender werden, andere würde ich komplett überdenken.
Die Kutschenfahrt von Arco und Colloredo – soll das lustig sein? Kommt nicht rüber. Sind zwei Liebesduette in so kurzem Abstand wirklich notwendig, auch wenn beide gelungen und nett sind (die Ringelspielfahrt ist eine tolle Idee). Mir ist der „Rote Rock“ abgegangen und „Jeder Abschied ist der Anfang einer Reise“, die beiden Songs erzählen etwas, im Gegensatz dazu hätte ich lieber die Prater-Szene gekürzt. „Ich bin extraordinär“ finde ich schlecht. Die E-Gitarre mag eine gute Idee sein, wirkt jedoch im Moment so nicht. Die Weber’schen präsentieren sich äußerst nervend, was ja so sein soll, mich nervt aber vor allem das Hippie-Mobil. Man kann es auch wirklich übertreiben. Das ist „the easy way out“ wenn es um Kreativität geht. 

Die konzertante Aufführung 2006 hat überzeugt, auf allen Ebenen, denn sie hat sich auf das Wesentliche konzentriert und dabei die Charaktere und die Geschichte(n) wunderbar herausgearbeitet. Das Publikum wurde durch nichts abgelenkt, sondern die Musik und die Darsteller haben etwas Geschaffen, das lang in Erinnerung blieb. Etwas mehr von diesem „Wesentlichen“, „Menschlichen“ geht dieser Neufassung noch ab.

Ich werde es mir sicher noch einmal ansehen, schon alleine wegen Kuipers. Jetzt warte ich jedenfalls ein paar Monate und hoffe, dass sich die Produktion etwas mehr einspielt. Wer weiß, wie sie dann wirkt und ich bin gerne bereit das ein oder andere zu revidieren.


P.S.: Paradox ist auch, dass das Publikum beim Schlussapplaus zu "Hier in Wien - wo man vor einem Messerstich in deinen Rücken die Hände dir küsst - mitklatschen darf. 








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