Dienstag, 14. Mai 2013

Off-Theater: Blitze, überall Blitze - Der 1. Jahrgang der Abteilung "Musikalisches Unterhaltungstheater"


Fulminant. Grandios. Man nehme eine Hand voller Superlative und stecke sie in diese „Kritik“. Und doch – wahrscheinlich gibt es gar keine Worte für das, was der erste Jahrgang des Konservatoriums (Abteilung Musikalisches Unterhaltungstheater) bei seinem ersten offiziellen gemeinsamen Auftritt gezeigt hat. Es gibt nur ein Gefühl. Viele Gefühle, sehr individuell wahrscheinlich, aber dadurch „er-füllend“.

„Blitze, überall Blitze“ war ein Abend des puren Glücks, der durch und durch beeindruckt hat und nicht nur Lust auf mehr gemacht hat, sondern vor allem eines konnte: ein Lebensgefühl vermitteln – die Lust am Leben. Kurz: Es ist schön auf der Welt zu sein. So stelle ich mir Theater vor. Theater, das sich nicht scheut, den Tatsachen auf den Grund zu gehen und sich so den Fragen des Lebens stellt. Es schreckt nicht davor zurück sich menschlichen Abgründen zu widmen, weiß aber im nächsten Moment die Hoffnung im Nu wieder aufleben zu lassen. Zu so einem Theater braucht es Menschen-Darsteller. Persönlichkeiten, die fähig sind, sich in Charaktere fallen zu lassen und gleichzeitig ihren eigenen „Kern“ nicht verlieren – das ist außerordentlich schwer, es ist eine Kunst. Und ja, einige dieser neun Studenten beherrschen sie.
Dem Ruf des ersten Jahrgangs ist eine Schar gefolgt und so war der kleine Saal des Off-Theater bis auf die letzte Stufe besetzt. Dazu kam eine drückende Schwüle, die die Stimmung und das Setting des Programms – eine Dachterrasse, kurz vor einem Gewitter – perfekt unterstützt hat. Das Konzept des Abends war einfach und wirkungsvoll. Man braucht keine ausgefeilte Geschichte, wenn man „menschliche“ Situationen hat. Die Luft ist angestaut und wartet sehnsüchtig auf die Entladung der Spannung durch ein Gewitter. Menschen sind zusammengekommen und befinden sich ebenfalls in Spannung. Der Bogen überspannt sich und es folgen die unausweichlichen Konfrontationen: Blitze. Die Texte aus relativ neuen Stücken von Meike Hauk, Jens Roselt, Igor Bauersima, Oskar van den Boogaard (siehe: Theater Theater. Aktuelle Stücke 14). Verschieden und doch so zusammenhängend, weil sie unglaublich nahe am Leben dran sind. Dazwischen Musicalmelodien in einer beeindruckend vielfältigen Auswahl – jenseits des Abgedroschenen, mit einer ausgewogenen Mischung aus alt und neu.

Und der gesamte erste Jahrgang wirft sich in dieses Programm. Mit Haut und Haar und geht damit voll aufs Ganze. Diese Leidenschaft, die jeder Einzelne ausstrahlt, ist unglaublich ansteckend. Diese neun jungen Leute haben noch einen weiten Weg vor sich, jeder andere Bereiche, die er sich im Laufe der Ausbildung genauer anschauen muss, aber in ihnen allen steckt viel Potential und das überzeugt jetzt schon. Es sei einem geraten, sich selbst von diesen Leistungen zu überzeugen – Worte zu finden ist hier nicht ganz einfach. Zwischen der beeindruckenden Gesamtleistung gab es dennoch Momente, die mir nachhaltig in Erinnerung geblieben sind.
Nathanaele Koll-Valsassina, zum Beispiel, der nicht nur mit seinem zurückhaltenden „Just the way you look tonight“ dem Zuschauer den Atem raubt, sondern sich vor allem durch sein Schauspiel in einer andere Liga spielt. Die Natürlichkeit mit der er seine Sätze spricht, dieses vollkommene „im Moment sein“, diese von der Seele direkt nach außen getragenen Worte, diese gleichzeitige Lockerheit des Vortrags, das alles spielt sich jenseits der Angst ab und all das unterscheidet ihn von vielen anderen Darstellern. Scheinbar furchtlos bringt er seinen Charakter zum Leben und erreicht damit die Zuschauer auf einer ebenso tiefen Ebene. Ähnlich „straight from the heart“ agiert auch Christoph Prinz, dem jedoch hie und da noch etwas Unsicherheit im Weg steht, die aber in seinen besten Momenten plötzlich weicht und dieses „pur“ Menschliche erblicken lässt, das einen direkt packt und nicht loslässt. Sein „Broken Vow“ ging ans Mark und berührte. Auch die anderen Männer im Bunde, diesmal sind es ganze fünf, haben Momente, in denen alles aufgeht. Daniel Tejeda wirkt energetisch und dadurch immer sehr präsent. Sein „Ich fahr mit meiner Clara“ war auf den Punkt performt und bei „Tango de Roxanne“ fasst er seine Tanzpartnerin mit solcher „Passion“, das man seine Augen kaum abwenden konnte. Sowohl ihn als auch Jantus Philaretou ließ man viel auf Deutsch singen – einer Herausforderung, die beide absolut gemeistert haben. Philaretou und Nicolas Huart (äußerst kokett in "Sway") konnten ebenfalls durch und durch überzeugen, da war viel zu sehen. Mit diesen fünf Herren hat man am Konservatorium sicher eine gute Wahl getroffen, auch wenn es vielleicht bei Tejedas Aufnahmeprüfung letzten März noch nicht ganz so klar war. Einmalig war sein „Wie wird man seinen Schatten los?“ auf jeden Fall und es blieb in Erinnerung.

Von der weiblichen Riege gefielen vor allem Sophie Schweighofer und Laura Isabel Friedrich. Auch sie mit unglaublichem Pathos bei der Sache. Während Schweighofer sich Herz zerreißend in die Probleme ihrer Beziehung stürzte, bewies Friedrich nicht nur Comic Timing, sondern auch jede Menge Gefühl. Dorina Garuci wirkt ebenfalls sehr präsent und passioniert. Anna-Kristina Pinz konnte vor allem mit „Where ever he ain‘t“ zeigen, was sie stimmlich drauf hat, hat aber was das Schauspiel betrifft noch einen weiteren Weg zu gehen.
 „Blitze, überall Blitze“ zeigte nicht nur die Individualität der Studenten, sondern auch harmonisches Zusammenspiel. Von Ramesh Nair in den Ensemble-Nummern choreografiert zeigten diese Neun auch ihr tänzerisches Können, das bei manchem noch etwas aufbaufähig ist, aber sich wirklich sehen lassen kann. Isabella Fritdum hat wieder einmal ihr Händchen bewiesen einen Haufen Studenten so zu koordinieren und zu fordern, dass dieser sein Talent zeigen konnte. Begleitet wurde das Ensemble vom Ein-Mann-Orchester Peter Uwira am Flügel, der auch für die Musikalische Leitung zuständig war.

Ein Abend, der nicht nur das vorhandene Potential gezeigt hat, sondern auch die Hoffnung aufleben ließ, dass da in Zukunft noch viel mehr möglich ist. Eine Bereicherung!
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