Dienstag, 29. September 2009

next to normal

Bei manchen Musicals fehlen einem die Worte um sie zu beschreiben...oder man findet nicht die richtigen...nichts wird dem gerecht, was man da im Theater erlebt hat...
Spring Awakening gehört dazu, RENT, Billy Elliot - zumindest mir gehen hier die Worte aus...auch für next to normal fällt es mir schwer welche zu finden. Ich will damit nicht sagen, dass ein Musical oder ein Theaterstück nur dann gut ist, wenn einem die Worte fehlen es zu beschreiben...nein, das ist es nicht...es sind viel eher die Musicals, die das Publikum auf einer sehr emotionalen Ebene ansprechen.

Man kann versuchen den Inhalt von next to normal nachzuerzählen, aber im Grunde reicht das nicht, da das "Besondere" nur im Theater geschieht. Es entstehen Gefühle, die sich nicht beschreiben lassen. Natürlich ist die Wahrnehmung ganz individuell, aber ich finde, dass next to normal vor allem über die Gefühlsebene und die Stimmung funktioniert. Das Musical ist sehr intensiv und man fährt im Laufe der Vorstellung eine Achterbahn der Gefühle. Von Trauer bis hin zu Freude, Unsicherheit, Verzweiflung...man kann gar nicht alles aufzählen. Im Trailer zum Musical (kann man sich auf der Homepage ansehen) erscheinen kurze Auszüge aus dem Review der New York Times. Da heißt es: "next to normal is more than a feel-good musical...it's a feel-everything musical"...dieser Ausschnitt trifft es für mich ziemlich genau.
next to normal behandelt ein sehr emotionales und schwieriges Thema und beleuchtet wie verschiedene Personen damit umgehen. Mutter, Tochter, Vater, Psychologe, Boyfriend und auch der verstorbene Sohn. Letzterer liefert eine etwas ungewöhnliche Perspektive, aber genau das macht es interessant.

Alice Ripley verausgabt sich in der Rolle der Diana und es ist einfach unglaublich welche Kraft und Emotion sie auf die Bühne bringt. Diesen Charakter zu spielen ist alles andere als einfach, doch sie macht es so überzeugend und glaubwürdig, dass man als Zuschauer eine Gänsehaut bekommt. Den Tony hat sie wirklich verdient!
next to normal ist ein sechs Personen Musical und jeder Charakter hat aufgrund der Problemlage so unglaubliche Tiefen, die es von den Darstellern zu ergründen gab und für das Publikum 8 Mal die Woche zu ergründen gibt.

Mich hat diese Show lange nicht losgelassen. Man geht nämlich mit sehr unterschiedlichen Gefühlen aus dem Theater, fühlt sich aber auch erst einmal ein bisschen taub, da man die letzten 2 1/2 Stunden emotional so viel mitgemacht hat...es ist wirklich merkwürdig.

Die Musik ist sehr rockig und wirklich gut (Composer: Tom Kitt/ Librettist & Lyricist: Brian Yorkey). Es spielt eine Band, die in das Bühnenbild integriert ist, das insgesamt sehr einfach aber wirkungsvoll gestaltet ist. Viel Plexiglas, viele Lichteffekte.
next to normal ist character-driven und braucht deshalb nicht viel Drumherum. Die Show spielt mit so vielen Gefühlen, dass sich das Bühnenbild durch seine Zurückhaltung perfekt einfügt.

Director Michael Greif hat das Talent sehr emotionale Plots wunderbar umzusetzen, was man ja schon bei RENT sehen konnte. Die einzelnen Charaktere kommen gut heraus und wirken auf das Publikum.
Auch Jennifer Damiano (Spring Awakening - Swing) als Natalie beweist, dass ihr "andere", thematisch schwierigere Musicals liegen. Sie zeichnet ihren Charakter sehr genau und ergreifend. Es ist wirklich bewundernswert wie so ein junger Mensch dazu fähig ist.
J. Robert Spencer, Original Cast Member aus Jersey Boys, und Kyle Dean Massey als Vater und Sohn glänzen ebenfalls in ihrer Performance.
Die etwas kleineren Rollen sind nicht ganz so komplex wie die Hauptcharaktere, verlangen den Darstellern aber einiges ab. Als Dr. Madden und Dr. Fine ist Louis Hobson zu sehen. Natalies Freund Henry, dem sie sich nur sehr langsam anvertrauen kann, wird von Adam Chanler-Berat gespielt. Beide liefern sehr gute Performances ab und runden die gesamte Cast gut ab.

next to normal ist eines der besten Musicals, die ich diesen Sommer in New York gesehen habe und hat für mich sogar das hochgelobte "In the Heights" in den Schatten gestellt...

Mittwoch, 23. September 2009

Tanz der Vampire im Ronacher

Am Sonntag habe ich mir endlich Tanz der Vampire angesehen und mir gefällt's...

Von der Musik brauchen wir gar nicht viel zu reden...sie ist fantastisch. Jim Steinmans Songs reißen einen mit und jedes Lied entführt die Zuschauer nach Transsylvanien. Die Darsteller performen einwandfrei und überzeugen durch und durch...

Marjan Shaki hat mir beim diesjährigen Donauinselfest nicht so gut gefallen, aber als Sarah ist sie wirklich fantastisch. Sie spielt die kecke Wirtstochter mit sehr viel Leidenschaft und viel Gefühl. Es ist eine Freude sie performen zu sehen und beim Schlussapplaus hat man auch ihre eigene Freude sehen können. Sie strahlte und man merkte wie überwältigt sie von den Reaktionen des Publikums war...
In den Fernsehinterviews, die ich in der letzten Zeit gesehen habe, wirkte sie etwas arrogant und zurückhaltend. Vielleicht weil sie unsicher ist...keine Ahnung...aber ihre Performance und die Ausstrahlung, die sie am Ende der Vorstellung hatte, waren so beeindruckend, dass sie bei mir wieder dazu gewonnen hat :)

Lukas Perman wirkte in den ersten Minuten blass und ich wurde mir kurz unsicher, ob er denn wirklich so gut in die Rolle des Alfred passt. Im Gegensatz zu den negativen Reaktionen, die er nach der "Tanz der Vampire In Concert"-Reihe hervorgerufen hat, fand ich ihn damals nicht so schlecht und war überzeugt, dass er mit einer angemessenen Probezeit und ein wenig "In-sich-gehen" einen guten "Assistenten" abgeben würde. Nach den ersten Minuten, in denen ich ihn als enttäuschend empfand, ist er aber - im wahrsten Sinne des Wortes - aufgetaut und hat eine gute Leistung erbracht. Er spielt den Alfred sehr tollpatschig und noch ein wenig trotteliger als ich ihn in Erinnerung habe, aber überzeugt damit durchaus.

Professor Abronsius kann eigentlich nur von Gernot Kranner gespielt werden. Kein anderer erreicht dieses Niveau. Kranner ist Abronsius. Er hat sich die Rolle so einverleibt, dass man von seinem Spiel nur begeistert sein kann. Es ist ein großes Vergnügen ihn performen zu sehen. Die schnellen Lieder singt er ohne große Anstrengung und löst damit Begeisterungsstürme des Publikums aus. Manche Stellen sind allerdings ein wenig schwer zu verstehen...ich kenne den Text und deshalb ist es für mich kein Problem, aber diejenigen, die das Stück zum ersten Mal sehen, verstehen vielleicht nicht alles. Was eigentlich auch gar kein Problem ist...vielleicht ist es sogar Absicht...Professor Abronsius ist ja schließlich auch schon etwas verwirrt ;)

Die Wirtsleute Chagal und Rebecca werden von James Sbano und Katharina Dorian gespielt. Auch James Sbano macht seine Sache gut, auch wenn er oft etwas unverständlich wirkt. Bei Katharina Dorian als Rebecca hatte ich ein paar Schwierigkeiten, die aber nicht unbedingt an ihr liegen müssen...mir ist die Rolle ein wenig zu schrill. Natürlich muss hier übertrieben werden, aber ein bisschen weniger hätte - meiner Meinung nach - nicht geschadet...
Wirklich gut hat mir Anna Thorén als Magda gefallen. Ihre Stimme ist toll und sie holt das Beste aus der Rolle der Magd heraus.

Koukol ist ein bisschen eine undankbare Rolle. Viel gibt sie nicht her, aber sie erfordert u.a. komödiantisches Talent und ein Talent sich komisch zu bewegen :) Thomas Weissengruber besitzt alles, was man für diesen Part braucht.

Jetzt zu den Vampiren...
Thomas Borchert ist für mich der einzig würdige "Nachfolger" von Steve Barton. Kein anderer (außer Barton) kann Graf Krolock so gut spielen wie er...Mathias Edenborn fand ich gut, aber keiner reicht an Barton und Borchert heran. Ich hab schon einige andere Darsteller Krolocks Lieder performen sehen, aber es fühlt sich nie richtig an...Borchert baut sein komödiantisches Talent in die Rolle ein, jagt einem Schauer über den Rücken, gruselt, ist aber im nächsten Moment auch verletzlich und zerissen. "Die unstillbare Gier" ist eines meiner Lieblingslieder - überhaupt, nicht nur in der Show. Es kann einen zum Weinen bringen, wenn es gut performt wird und berührt zutiefst...Borchert beherrscht die Rolle mit all ihren Eigenschaften und er lässt die Zuschauer verstehen, warum sich Sarah so zu ihm hingezogen fühlt...
Ich bin gespannt, wie mir die Zweitbesetzungen gefallen werden...ich hoffe, dass auch Alexander Di Capri und Robert D. Marx den Grafen mit viel Gefühl und Gespür für die Rolle gut darstellen können.

Als Krolocks Sohn ist Marc Liebisch zu sehen. Er ist noch ein unbekannteres Gesicht der Musicalszene, aber das wird sich bald ändern, denn als Herbert ist er wirklich fantastisch.

Das Ensemble ist ebenfalls großartig. Einige für mich bekannte Namen sind dabei, aber auch ein paar neue. Die großen Ensemblenummern "Carpe Noctem" und "Ewigkeit" sind aber nur wegen der großartigen Musik ein Genuss, da die Bühne leider etwas leer wirkt. Die Choreographie (Dennis Callahan) ist toll und die Darsteller überzeugen als Trunkenbolde, Dorfbewohner und Vampire mit tollen Gesangsstimmen und in großartigen Tanzszenen.

Die Kostüme sind gut und auch das Bühnenbild verfehlt seine Wirkung nicht. Es ist so wie es sein sollte. Was mich aber ein wenig gestört hat war, dass obwohl das Publikum viel einbezogen wurde (z.B. gehen die Darsteller manchmal über den Zuschauerraum ab) war das Stück sehr nach vorne verlagert. Ich weiß nicht, ob das verständlich ist, aber für mich muss bei Tanz der Vampire das ganze Theater mit Schauer und Mysterium erfüllt sein. Für mich war dieses Gefühl nur in den Szenen, in denen die Vampire im Zuschauerraum sind bzw. auch manchmal wenn Krolock ein Solo hat spürbar...es war deswegen keinesfalls schlecht; man soll mich nicht falsch verstehen, aber es fehlt ein bisschen was...ich glaube, dass es am Sound lag...im Musicalclub-Forum habe ich gelesen, dass es wie bei einem Rockkonzert sein soll und sehr laut ist...ich hatte nicht den Eindruck. Für mich war es zu leise...wenn es ein wenig lauter gewesen wäre, dann hätte dieses schaurige Gefühl vielleicht eher seinen Weg gefunden...

Das neue Ende hat mir auch gut gefallen. So neu ist es ja auch nicht...Ich möchte nicht zu viel verraten, aber ich finde den Verweis auf die heutige Welt sehr gut und passend. Die unstillbare Gier herrscht auch in unserer Gesellschaft und wenn wir nicht bald lernen auf andere Werte zu achten, dann wird die Welt vielleicht wirklich von blutsaugenden Vampiren regiert. Ich bitte das jetzt als Metapher zu verstehen :)

Tanz der Vampire hat allerdings seit seiner Premiere an Reiz verloren. Die Inszenierung reicht nicht an früher heran - da können die Darsteller noch so viel Leistung erbringen. Es fehlt hie und da an "Sog". Durch die falsche Verlagerung kann ich nicht ganz in die Welt einsteigen. Für "Tanz der Vampire" ist dieser Faktor aber entscheidend. Weniger Ost-Block-Trash, mehr Theater-Energie und Magie wären besser.

Gegen Ende meines Beitrags habe ich noch einen Lesetipp für euch. Auf http://www.kultur-channel.at/ findet ihr einen Artikel über "Das Grauen im Ronacher". Mir ist es ein Anliegen, dass viele Leute lesen was Martin Bruny dort berichtet, denn da läuft mir wirklich der Schauer über den Rücken. Wien hat eine sehr ausgeprägte Fankultur, die so manche Grenzen überschreitet. Ich finde es eine Frechheit wenn "Hardcore-Fans" nicht wissen wo diese Grenzen sind, sich nicht entsprechend verhalten können und vollkommen auf ihr Benehmen vergessen. Der Fall, den Bruny in seinem Artikel schildert, ist erschreckend und macht mich irgendwie traurig.
Ins Theater zu gehen bedeutet für viele sich fallen zu lassen und in eine andere Welt einzutauchen. Durch solch illusionszerstörendes Verhalten, bei dem sich die "Täter" auch noch cool vorkommen, hat es wirklich seine Grenzen.
Wenn ihr schon dabei seid, dann lest euch doch auch gleich folgenden Artikel durch...ich habe sehr darüber lachen müssen, obwohl manches ja eigentlich zum Weinen wäre :)

www.kultur-channel.at/wer-eine-derniere-besucht-hat-viel-zu-erzahlen/

Donnerstag, 17. September 2009

The Phantom of the Opera

The Phantom of the Opera habe ich in New York zum ersten Mal auf einer Bühne gesehen. Ich kannte die Musik und den Film, aber live bin ich irgendwie noch nie dazu gekommen...deswegen fand ich es an der Zeit mir diesen Klassiker einmal anzusehen.

Das erste Wort, das mir zu dieser Show ad hoc einfällt ist: verstaubt. Das Theater (Majestic Theatre) ist verstaubt und machte auf mich einen modrigen Eindruck, das Bühnenbild und die Kostüme wirkten verstaubt und die Show an sich könnte auch ein wenig Frische vertragen.

Im Rahmen meines Internships durfte ich auch bei Phantom einen Blick hinter die Kulissen machen und auch Backstage ist alles ziemlich verstaubt und verkommen. Wie man sich dort auf eine Show vorbereiten kann ist mir ein Rätsel. Es ist alles wahnsinnig eng und verfallen. Die Kostüme sind alt und nicht sehr prachtvoll. Wenn man im Publikum sitzt sieht man das aber Gott sei Dank nicht. Phantom ist "the longest running show in Broadway history" und das merkt man.

Die Show ist für mich ein wenig zu "dunkel". Damit meine ich aber nicht das Thema. Natürlich gehört eine bestimmte Dunkelheit dazu, aber die Momente in denen es heiterer zugeht bleiben irgendwie dumpf...es gibt zu wenig Kontraste...alles siecht dahin.

Ich habe mir die Show zweimal angesehen und die Publikumsreaktionen sind jeden Abend unglaublich. Anscheinend kommt Phantom immer noch gut an. Einerseits kann ich das verstehen - es ist ein Klassiker, aber andererseits...ich weiß nicht...die Musik ist nicht wirklich die beste - meiner Meinung nach - und irgendwie ist es schon ein wenig eintönig.

Was mir aber positiv aufgefallen ist, ist das Phantom. Ich durfte zwei Darsteller in dieser Rolle erleben. Howard McGillin, den ich zuerst gesehen habe, hat die Produktion verlassen und wurde durch John Cudia ersetzt. Große Unterschiede konnte ich nicht feststellen, aber beide haben die Verletzlichkeit des Operngeistes sehr gut vermitteln können. Die Tragik ist sehr gut herausgekommen und das Publikum konnte sehen welch schlimmes Menschenschicksal das Phantom erleiden muss.
Als Christine Daaé habe ich Jennifer Hope Willis gesehen. Sie wirkte ein wenig kindlich, was aber nicht schlecht war...Christines Naivität konnte sie deshalb sehr gut darstellen. Ihre Liebe zu Raoul (großartig: Ryan Silverman) fühlte sich aber nicht so ganz aufrecht an...das Duett "All I ask of you" ist trotzdem einer der schönsten Momente der Show!

Die Musik ist, bis auf wenige Nummern, nicht so ganz meine, aber dennoch nicht schlecht. Lichtblicke des Musicals sind die witzigen Momente mit Carlotta oder Monsieur André und Monsieur Firmin.

Eine große Enttäuschung war für mich auch der Chandelier...ich hatte mir gedacht, dass dessen Fall viel eindrucksvoller und magischer vor sich geht...mehr Krach macht, mehr Effekte hat...dieser wichtige Moment der Show ist leider wenig spektakulär und schreit nach neuer Technik.

Wie man in "Rebecca" sehen konnte kann gut eingesetzte Technik das Publikum davon überzeugen, dass ein ganzes Haus brennt...ein spektakulärer Fall eines lächerlichen Chandeliers sollte deshalb eigentlich ein Leichtes sein...
Schon wieder habe ich mich länger nicht gemeldet...werde mich in Zukunft bemühen öfter etwas zu schreiben...:)

Musical NEWS:

- Seit gestern tanzen die Vampire in Wien und ich kann es kaum erwarten mir die Show anzusehen...am Sonntag ist es dann soweit und ich bin wirklich sehr gespannt. Das letzte Mal habe ich Tanz der Vampire in Berlin gesehen - Mathias Edenborn als Krolock - und da es eines meiner Lieblingsmusicals ist, freue ich mich sehr es wieder hier in Wien zu haben...so wie es bis jetzt aussieht freuen sich mehrere, denn der Vorverkauf dürfte sehr gut sein!

- Am 9. September hatte eine neue TV-Serie in den USA Premiere. GLEE eine "musical dramedy" handelt von Schülern einer High School, deren Lehrer und dem Singen (u.a. im glee club)...zur Hauptcast gehört u.a. Lea Michele (Wendla in Spring Awakening), aber auch für Gastrollen konnten bekannte Gesichter aus der Musicalszene gewonnen werden. Zu sehen sind u.a. Josh Groban, Kristin Chenoweth, Debra Monk und Victor Garber.

- Pia Douwes kommt nach Wien und präsentiert "Ein Abend im Dezember" sowie ihre größten Musicalhits. Der Vorverkauf startet am Montag, 21.9. Das Konzert findet am 28. Dezember 2009 im Theater Akzent statt.

...mehr fällt mir im Moment nicht ein...ich melde mich in Kürze mit einer Kurzkritik von "The Phantom of the Opera" :)

Montag, 7. September 2009

Chess In Concert

"Chess" ist ein Musical, das bisher fast spurlos an mir vorüber gegangen ist...und wahrscheinlich nicht nur an mir. Irgendwie hat es keinen sonderlich guten Ruf - vielleicht weil es über die Jahre immer wieder verändert wurde...
Viele kennen die Songs "One Night In Bangkok" und "I Know Him So Well", hatten sie doch beide hohe Chartpositionen und sind heute fast schon zu Evergreens avanciert.
Ich wusste, dass sie aus dem Musical "Chess" von Benny Andersson, Björn Ulvaeus (ABBA) und Tim Rice stammen...das war's aber schon :) Mit dem Inhalt von Chess war ich nicht vertraut und vorstellen konnte ich mir auch nicht viel darunter, da ich die Show auch noch nie gesehen hatte...

Wieder in mein Gedächtnis gerufen wurde mir das Musical, als ich letztes Jahr von der konzertanten Aufführung in London erfuhr (Mai 2008). Royal Albert Hall, großartige Besetzung. Natürlich wollte ich dort hin...leider hat es nicht geklappt, aber seit Freitag besitze ich die DVD dieses einmaligen Events und ich kann sie euch nur sehr ans Herz legen.

Die Geschichte ist gut erzählt und obwohl sie zunächst etwas kompliziert scheint kommt man trotzdem gut mit. Im Booklet findet man eine sehr gute Zusammenfassung des Inhalt, die es einem erleichtert den Geschehnissen zu folgen, aber auch wenn man diese nicht gelesen hat, ist es kein Problem den Inhalt zu verstehen.

"Chess In Concert" kommt fast ohne Requisiten aus. Ein Schachbrett und eine Leinwand, auf der man Ortsangaben und dazugehörige Bilder sieht. Einfach, aber wirkungsvoll. Auf einem Teil des Bühnenbodens befindet sich ein Schachmuster, ansonsten ist aber nicht sehr viel Platz, da das Orchester "The City of London Philharmonic" und der riesige Chor "The West End Chorus" den größten Teil der Bühne einnehmen. Für die wenigen Tanzszenen reicht der Platz aber aus. Schön sind vor allem die Ballettsequenzen während den Schachspielen. Die Kostüme sind passend zum Thema in schwarz und weiß gehalten - nur in den Bangkok-Szenen geht es ein bisschen bunter zu.

Und jetzt zur Besetzung...Überraschung ist sicherlich Josh Groban, der noch eher wenig Erfahrung im Musicalbereich hat, aber gut in die Rolle des Anatoly Sergievsky passt. Seine Stimme ist für mich wie Weihnachten. Ich weiß nicht wie ich es sonst ausdrücken soll, aber er hat ein Wärme in der Stimme, die einen irgendwie geborgen fühlen lässt. Natürlich merkt man, dass er sich noch etwas schwer tut seinen Ausdruck, den er beim Singen hat, in sein ganzes Spiel hineinzubekommen - schauspielerisch hat er eben noch ein bisschen zu lernen. Am Ende des ersten Akts performt er aber "Anthem" mit so viel Gefühl, dass man leicht über dieses Manko hinwegsieht.

Als Gegner Freddie Trumper ist Adam Pascal zu sehen. Mit seiner unverkennbaren Stimme und seiner spitzbübischen Ausstrahlung passt auch er sehr gut in seine Rolle.

Auch David Bedella macht sich gut in der Rolle des russischen Intriganten Alexander Molokov. Blass hingegen wirkt "the Arbiter", gespielt von Marti Pellow. Die Rolle gibt meiner Meinung nach wenig her - es gibt aber einige Songs, in denen der Schiedsrichter sehr wohl die Möglichkeit hat mehr aus ihr heraus zu holen. Pellow wirkt aber eher langweilig und stumpf. Es fehlt ihm an Ausdruck und Charme.

Für die Rollen Florence und Svetlana konnten Idina Menzel und Kerry Ellis gewonnen werden. Menzel, die übrigens am 2. September Mutter geworden ist, überzeugt durch und durch. Sie hat eine wunderbare Bühnenpräsenz und weiß mit ihrer Stimme perfekt umzugehen. Ihr Solo "Nobody's Side" ist für mich ein Highlight dieser Aufführung. In den Duetten mit Groban fügen sich ihre Stimmen sehr gut zusammen und man kann verstehen, warum Florence sich für Anatoly entscheidet :)

Auch Kerry Ellis, die in der wesentlich kleineren Rolle der Svetlana zu sehen ist, liefert eine tolle Leistung ab. Sie tritt erst im zweiten Akt auf, schafft aber sogleich mit "Someone Else's Story" das Publikum davon zu überzeugen, dass sie nicht die böse Ehefrau ist, für die man sie vielleicht gehalten hat.

"I Know Him So Well" (Florence, Svetlana) ist so wunderschön gesungen, dass man Gänsehaut bekommt und als am Ende Anatoly und Florence auseinandergehen, bricht einem fast das Herz, weil einem das Duett "You and I" so nahe geht.

Mich hat "Chess In Concert" sehr berührt. Wenn ich so großartige Darsteller auf der Bühne sehe, dann geht mit das Herz auf und ich denke mir immer wie wunderbar doch unsere Welt ist. Chess hat gute Musik und auch die Story ist okay. Sie schwächelt ein bisschen im Vergleich zu anderen Musicals, aber nichtsdestotrotz handelt es sich bei Chess um ein unterschätztes Musical.

Leider bietet die DVD außer einem Trailer keinerlei Extras...

Donnerstag, 3. September 2009

Mary Poppins + CD Tipp

Weiter geht es mit dem nächsten Musical...und es ist "Mary Poppins". Lange wollte ich dieses Musical schon sehen und hatte in NY jetzt endlich die Möglichkeit dazu.

MARY POPPINS
New Amsterdam Theatre

Bei Disney-Musicals kann man ja eigentlich fast nicht enttäuscht werden - zumindest ich nicht. Die Filme sind einfach Kult und auch auf der Bühne machen sich die oftmals auch sehr kitschigen Geschichten sehr gut. So auch Mary Poppins, allerdings hat es mich nicht ganz so überzeugen können wie so manch anderes Disney-Musical. Ich weiß nicht genau an was das gelegen hat, denn es hat mir eigentlich ganz gut gefallen. Es ist toll umgesetzt und vor allem das Bühnenbild haut einen um...wieder merkt man wie viel Kreativität und Ideenreichtum doch in Menschen steckt. Ich war hingerissen von den Darstellern und den Kostümen, aber die Show hatte trotzdem ihre Längen.

Wenn man einen Film (ursprünglich ist Mary Poppins eigentlich ein Buch) auf die Bühne bringt, dann kommt es oft zu Änderungen. Die kann man gut oder schlecht finden, aber auf jeden Fall muss man sich darauf einstellen. Ein Fehler ist es wenn man starr an seiner Erinnerung festhält und eine Umsetzung erwartet, die sich strikt an die Vorlage hält. Das ist nämlich so gut wie unmöglich und den Theaterabend kann man auch nicht genießen. Nein, man muss offen sein. Dabei kann man sehr wohl kritisch beobachten und wahrnehmen, aber doch in einem anderen Blickwinkel.

Natürlich gibt es auch bei Mary Poppins einige Änderungen. Einige gefallen mir davon sehr gut, andere wiederum nicht.
Jeder im Publikum, sofern er den Film kennt, wartet auf die altbekannten Hits wie "Supercalifragilisticexpialidocious" oder "A Spoonful of Sugar", aber auch die neuen Songs dürfen nicht außer Acht gelassen werden, nehmen diese doch einen Großteil der Show ein. Während mir die Umsetzung von "Supercali..." nicht so gefallen hat - tolle Kostüme, aber irgendwie hat die Szene an Charme verloren - fand ich es eine gute Idee Mrs. Banks einen eigenen Song zu geben, damit man mehr Einblick in ihren Charakter bekommt. Ich fand diesen Song sehr berührend.
Eine meiner Lieblingsszenen aus dem Film ist die mit dem Onkel, der nicht mehr aufhören kann zu lachen. Auch wenn ich mit vielen Änderungen leben kann, tut es mir sehr leid, dass man diese Passage nicht in das Musical mitaufgenommen hat.

Komisch und eher unpassend fand ich die Albtraumszene ("Temper, Temper"), in der Puppen lebendig werden. Diese Szene hat mir sogar ein wenig Angst gemacht - ich will nicht wissen, wie es den vielen kleinen Kindern ergangen ist, die auch im Publikum saßen.

Ein Highlight der Show ist auf jeden Fall "Step in Time". Bert und seine Freunde steppen, singen und tanzen auf den Dächern der Stadt. Für die Choreographie ist Matthew Bourne verantwortlich und meiner Meinung nach hätte man keinen Besseren finden können. Für alle, die seine Version von Tchaikovsky's Swanlake (oder auch Nutcracker) noch nicht kennen - unbedingt anschauen (ist auf DVD erhältlich)!

Was mir auch besonders gut gefallen hat waren die "Special Effects". Gerne wüsste man wie Mary Poppins so viele und große Dinge aus ihrer Tasche herauszaubert ;)

Die Darsteller waren durchwegs gut. Als Bert habe ich Adam Fiorentino gesehen und bis auf seinen (charmanten) australischen Akzent hat er sehr gut in seine Rolle gepasst.
Der Charakter der Mary Poppins unterscheidet sich für mich im Musical ein wenig von der Filmversion. Noch nie ist mir Mary Poppins so arrogant erschienen. Sie ist zwar nach wie vor ein herzliches Kindermädchen, aber wenn man "practically perfect" ist, dann hat man doch die Nase ein wenig in der Höhe...:) Scarlett Strallen hat diese Balance jedoch sehr gut im Griff gehabt.

Auch die gesamte Familie Banks hat mir gut gefallen. Die Kinder Jane und Michael - gespielt von Cassady Leonard und Zach Rand - sind eigentlich ständig auf der Bühne, wirken aber immer frisch und können mit ihrer Performance sehr überzeugen. Rebecca Luker wirkt sehr gut in der Rolle der Mrs. Banks. Ihr gelingt es die besorgte Ehefrau mit all ihren Problemen ebenso gut zu spielen, wie auch die Mutter, die für ihre Kinder nur das Beste will, aber mit der man auch Spaß haben kann. Vater George Banks ist ja nicht die sympathischste Rolle im Film; im Musical allerdings kann man durch die tolle Performance von Daniel Jenkins eher einen Draht zu ihm finden.

CD-Tipp:

So...zum Schluss des heutigen Eintrags habe ich noch einen CD-Tipp für euch. Ich höre sie im Moment rauf und runter und komme gar nicht mehr von ihr los, denn für mich hat dieses Musical - obwohl ich es noch nie live gesehen habe - irgendetwas Besonderes. Es handelt sich um "Big River" (Original Broadway Cast Recording, 1985). Das Musical hatte am Broadway Premiere, als ich noch nicht einmal auf der Welt war, feierte aber 2003 ein Broadway-Revival und ging anschließend auf US Tour.
Als ich vor ein paar Monaten zum ersten Mal den Song "Waitin' for the light to shine" gehört habe, wusste ich sofort, dass ich diese CD haben musste. Ich habe sie mir allerdings nicht gleich bestellt, sondern einfach mal abgewartet...bis ich dann im August in Hartford (Connecticut) war, um das Mark Twain Haus zu besichtigen. Im Shop bin ich dann wieder über das Musical gestolpert, basiert es doch auf "The Adventures of Huckleberry Finn".
Die Melodien bleiben einem sofort im Ohr. Sofern man der Musik der Südstaaten (Country, Gospel,...) nicht abgeneigt ist, dann hört man es gerne - allen anderen würde ich es eher abraten, sie würden wahrscheinlich nicht viel Gefallen daran finden. Hineinhören kann ich aber wirklich jedem empfehlen, ich bin immer noch ganz hin und weg. Nicht um sonst hat das Musical 1985 auch 7 Tony Awards gewonnen...:)
Schon die Overture macht gute Laune und auch jeder andere Songs hat für mich das gewisse Etwas...deswegen kann ich euch keine Anspieltipps geben. Hört einfach mal rein - es lohnt sich!
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