Montag, 21. Oktober 2013

London Diaries: The Light Princess – National Theatre


Das National Theatre macht in den letzten Wochen viel von sich reden. Es feiert nicht nur sein 50-jähriges Bestehen mit einer Menge an Veranstaltungen – spannenden Theatre Talks oder Gesprächsrunden über die Zukunft des Theaters -, sondern hat auch dieser Tage einen neuen Künstlerischen Leiter ernannt, Rufus Norris. Wenn das nicht schon genug News wäre, feierte das Theater kürzlich auch die Premiere eines neuen Musicals. Sechs Jahre Arbeit des Creative Teams stecken in „The Light Princess“. Eine Märchenadaption von Samuel Adamson mit Musik von Tori Amos. Die Plakate hängen in der ganzen Stadt, die schwebende Prinzessin leuchtet einem immer wieder direkt ins Auge. Das Grafikdesign ist so bezaubernd, dass es mich förmlich ins Theater gezogen hat. Und beim Design (Rae Smith) bleibt es auch beim Musical.
Wenn man beeindruckendes Design-Spektakel, verzaubernde Bühnenbilder, Puppenspieldetails und wundersame Umsetzung von magischen Effekten sehen möchte, dann ist man an der richtigen Adresse. Erwartet man jedoch ein Musical mit Geschichte und Musik, die bewegen, unterhalten oder zumindest irgendwie tangieren, wird man höchstwahrscheinlich enttäuscht werden. Meine Erwartungen waren ziemlich neutral. Vorab habe ich Negatives und Positives gehört und gelesen und als Zuhörerin eines Theatre Talks mit Regisseurin Marianne Elliott (War Horse, The Curious Incident of the Dog in the Night-Time) erfahren, dass die Produktion jene in ihrer Karriere ist, auf die sie am meisten stolz ist. Letzteres große Worte, die meine Neugierde noch verstärkt haben.

Ein Musical muss nicht unbedingt „hummable“ sein, es muss keine Ohrwürmer enthalten, aber die Musik muss zumindest irgendeinen Reiz haben. Tori Amos, so leid es mir tut, hat in „The Light Princess“ leider grundliegend versagt. Da ist nicht viel da, nach einer gewissen Zeit hört sich alles gleich an, die Musik klingt bald nur noch langweilig. Dialogpassagen gibt es kaum, das Stück ist fast ganz „sung-through“, wogegen eigentlich nichts einzuwenden wäre, wenn eben alles andere stimmen würde. Die Songs bringen die dramatische Handlung, sofern es überhaupt eine gibt, nicht weiter und haben auch sonst nichts zu sagen. Das Buch von Samuel Adamson, der das schottische Märchen von George MacDonald für die Bühne adaptiert hat, stellt sich ebenso ungeschickt an. Sechs Jahre wurde an diesem Stück gearbeitet? Kaum vorstellbar. Die dürftige Story lässt sich in weniger als fünf Minuten erzählen: Die „leichte“ Prinzessin Althea hat sich nach dem Tod ihrer Mutter dafür entschieden, einfach für immer durch den Raum zu schweben und sich weder von Tränen noch von irgendeiner anderen Form von Trauer davon abhalten zu lassen. Die Verdrängung lässt sie schweben. Sie trifft auf den Prinzen des verfeindeten Nachbarlandes, Digby, und beide verlieben sich.  Sie wird schwanger und am Ende wird alles gut und die Familien versöhnen sich. Dazwischen gibt es noch eine nette Hofdame und einen komischen Vogel, sowie den Bruder des Prinzen und die beiden Könige. Das Konfliktpotential und damit die Dramatik streben gegen Null. Langeweile. Wirklich sympathisch ist die Prinzessin einen nämlich auch nicht. Sie nervt mit ihrem „Herumgeschwebe“, ihrer Ignoranz. Natürlich kann man sich jetzt in die Tiefe stürzten und irgendwo einen Sinn des Ganzen suchen, aber warum? Vielleicht gibt es auch keinen. Enttäuschend und schade um das viele Geld, das in diese Produktion geflossen ist. Denn auch die Schauspieler haben absolut keine Möglichkeit irgendwie zu berühren, da springt leider kein Funke über. Die Musik wirkt in manchen Momenten einfach nur störend und nimmt potentielle Momente der „Verbindung“ zum Publikum einfach weg. Ja, sie beraubt anstatt genau diese „Verbindung“ auf musikalischer Ebene herzustellen oder zu verstärken. Beim Verlassen des Theatersaales dreht sich mein Sitznachbar zu mir um und meint: „Clever!?“. Clever, aber nur was das Design und die Umsetzung der „Special Effects“ betrifft…

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