Dieses Jahr war es an der Zeit für mich den Festspielen Gutenstein einen Besuch abzustatten. Das Festival „rühmt“ sich in den letzten Jahren mit Musical-Uraufführungen, doch bis jetzt habe ich es nicht geschafft, mir selbst einen Eindruck zu verschaffen. Seit gestern bin ich allerdings der Meinung nicht viel verpasst zu haben, denn was dort geboten wurde, dafür ist es fast schade Geld auszugeben.
So dachten sich das anscheinend einige. Das Theaterzelt war in den ersten Reihen gefüllt – Regiekarten der Schauspieler, der Rest des Publikums staute sich in den letzten Reihen - die Sitzplätze mit Kartenpreisen, die für Sommertheater angebracht und erschwinglich sind – 30 bis 40 Euro. Mehr zahle ich nur in Ausnahmefällen und dann für Produktionen mit Garantie für gute Unterhaltung. Dann allerdings auch gerne.
Egon Schiele – Das Musical. Ich habe eine Vorliebe für Geschichten von „verschrobenen“ Menschen, „anderen“ Menschen, „Knallköpfen“ wie Schiele einer war, deswegen schien mir das Thema grundsätzlich ganz interessant – doch wie wird es umgesetzt? …da kommen wir schon zum ersten Kritikpunkt. Die Idee eine Verbindung zwischen heutiger und damaliger Welt zu schaffen hat ihren Reiz und ist eigentlich gar nicht schlecht…
Die Story. Museums-Security Julian übernimmt bei einer Egon-Schiele-Ausstellung den Nachtdienst und tritt in Kontakt mit Schieles Welt. Muse und Weggefährtin Schieles, Wally Neuzil, nimmt mit ihm Kontakt auf. Sie kann nicht ruhen bis sie von Egon eine Antwort auf ihre Frage bekommen hat. Julian wird zu Egon und in die Welt des Künstlers gezogen. Szenen aus dem Künstlerleben mischen sich mit Szenen aus Julians Alltag bis es anscheinend keinen Weg zurückgibt und Julian sich als Egon im Jenseits verfängt. Er wird für verrückt erklärt, doch Kuratorin Sarah Schumann und Julians Mitbewohner Peter wollen ihm helfen und versuchen zu verstehen. Sie glauben an die Rückführung und das Mysterium, glauben, dass Julian Egon Schiele gewesen sein kann und versuchen ihn in die reale Welt zurück zu holen. Zum Schluss gelingt dies. Julian stirbt als Schiele mit 28 Jahren an der spanischen Grippe, doch mit Hilfe seiner Freunde wird er wieder zum Leben erweckt. Sarah bittet Wally ihn loszulassen, Wally bekommt die Antwort auf die Frage und haucht Julian wieder Leben ein. Dieser fällt Sarah in die Arme und beteuert seine Liebe zu Wally, dem Leben und dem Tod.
Die Gundzüge des Buches sind durchaus brauchbar. Das Buch selbst eine Katastrophe. Bruchstücke, die sich einfach nicht aneinanderfügen wollen, Dialoge, die nicht funktionieren, weil steif und aufgesetzt. Die Story nicht gut ausgearbeitet, Sprünge, die viel zu viel wollen und keinen Sinn ergeben. Szenen, bei denen man sich fragt, was die hier verloren haben (Bsp.: „Für jede Anomalie die rechte Therapie“ – Julian sagt er muss zum Therapeuten, schon springen vier Freudianer aus den Ecken und umgarnen ihn mit Ratschlägen).
Das Buch (Sissi Gruber, Niki Neuspiel) ist sogar so schlecht, dass ich richtig Mitleid für die Darsteller empfunden habe. Sie können leider gar nichts dagegen machen, sie müssen spielen, was da steht, was geschrieben wurde. Müssen sich dafür hergeben, auch wenn es ihnen nicht gefällt. Wie schwer muss das für einen talentierten Künstler sein? Sich selbst auszuschalten und sich einem Text, einer Inszenierung zu verschreiben, die einfach nichts taugt, vielleicht weil man einfach das Geld braucht. Das schlechte Buch ist nämlich nur das eine, die Regie (Dean Welterlen) das andere – quasi nicht existent bis klischeebeladen grauenhaft. Von Staatz hört man Ähnliches. Keine Regie, keine Schauspielerführung, die Darsteller müssen alles selbst erarbeiten. Im Gegensatz zu Gutenstein gibt man den jungen Darstellern in Staatz wenigstens die Möglichkeit selbst etwas daraus zu machen, außerdem haben sie den großen Vorteil eines funktionierenden Buches. Es handelt sich um etablierte Musicals, die funktionieren, mit denen man arbeiten kann. „Egon Schiele – Das Musical“ fehlt es an jeglicher Grundlage. Als Darsteller kann man so gut spielen wie man will, es kann einfach nichts werden, wenn der Text nicht will. In diesem Fall will er leider überhaupt nicht. Unnatürlichkeit, die mir wie ein Schauer über den Rücken läuft. Aufgesetztes Gerede, das mich zum Kopfschütteln zwingt. Die Lyrics (Birgit Nawrata, Sissi Gruber) auf großen Strecken ein Graus, dabei haben die Melodien (Musik: Gerald Gratzer) ab und zu doch in Ansätzen Potential („Eros und Tod“, „Mein Platz im Leben“, „Feuerrot“, „Aus dem Feuer meiner Sehnsucht“).
Als ob das nicht schon genug wäre setzt die Choreographie von Cedric Lee Bradley noch einen drauf – lächerlich. Wirklich lächerlich - einfallslos bis zum Geht-nicht-mehr. Das Bühnenbild ist von der Idee her ganz nett – die Projektionsflächen mit Animation und Schiele-Bildern funktionieren größtenteils. Anderes wiederum ist peinlich und - was mich am meisten nervt - lieblos. Lieblose Wohnung von Julian, lieblose Krumau-Landschaft (die Schönheit der Natur bleibt mir hier verborgen), lieblose Kostüme (bis auf die durchaus gute Idee mit den Ganzkörperanzügen aus Aktbildern Schieles und Wally).
Das Ensemble will ich gar nicht viel kritisieren. Die haben ihr Möglichstes gegeben. Was soll man auch machen bei einer Vorlage und eine Regie wie dieser. Markus Neugebauer war vielleicht eine Fehlbesetzung – war mir zu wenig Schiele, zu wenig verletzliche, verrückte Künstlerseele. Als Julian hatte er ab und zu nette Momente. Sabine Neibersch und Franziska Schuster konnten mit ihren Stimmen wenigstens Einiges retten. Doch der wirkliche „Lifeguard“ der Show war Thomas Strobl als Novak. Er spielte natürlich, hatte die Lacher auf seiner Seite und war so wohltuend, dass man zeitweise vergessen konnte, wie sich das Musical am Rande des Abgrunds bewegt. Harald Baumgartner als Julians Mitbewohner Peter war zuviel "High School Musical" und sein Charakter eher Nacherzähler der Handlung, für die Zuschauer, die vielleicht am „Abdriften“ waren. Der Rest hat seine Leistung erbracht, leider konnte da auch nicht viel gerettet werden.
Ich hoffe für die Zuschauer der letzten Jahre, dass wenigstens „Tutanchamun“ und „Gustav Klimt – Das Musical“ mehr zu bieten hatten, wobei…wenn ich an den Applaus von gestern zurückdenke, dürfte "Schiele" vielen gefallen haben. Meinen Geschmack hat "Egon Schiele - Das Musical" leider nicht getroffen...
Ich schreibe nicht gerne einen Verriss, aber ich muss gestehen, dass ich mich betrogen fühle. Ich gebe Geld aus und bekomme so etwas geboten. Eigentlich ist es eine Frechheit. Man sollte sich Theater nicht „antun“ müssen. Vielleicht sollte sich das Team der Festspiele Gutenstein überlegen, ihren Stolz zurückzustellen und sich bereits etablierten Musicals zu widmen, die funktionieren, aber vielleicht nicht so oft gespielt werden – da gibt es doch einige - oder sich mehr Zeit mit der Entwicklung eines Stücks zu lassen, einige Überarbeitungen wären gut gewesen...
Freitag, 22. Juli 2011
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