Fulminant. Grandios. Man nehme eine Hand voller Superlative
und stecke sie in diese „Kritik“. Und doch – wahrscheinlich gibt es gar keine
Worte für das, was der erste Jahrgang des Konservatoriums (Abteilung
Musikalisches Unterhaltungstheater) bei seinem ersten offiziellen gemeinsamen
Auftritt gezeigt hat. Es gibt nur ein Gefühl. Viele Gefühle, sehr individuell
wahrscheinlich, aber dadurch „er-füllend“.
„Blitze, überall Blitze“ war ein Abend des puren Glücks, der
durch und durch beeindruckt hat und nicht nur Lust auf mehr gemacht hat,
sondern vor allem eines konnte: ein Lebensgefühl vermitteln – die Lust am
Leben. Kurz: Es ist schön auf der Welt zu sein. So stelle ich mir Theater vor.
Theater, das sich nicht scheut, den Tatsachen auf den Grund zu gehen und sich
so den Fragen des Lebens stellt. Es schreckt nicht davor zurück sich
menschlichen Abgründen zu widmen, weiß aber im nächsten Moment die Hoffnung im
Nu wieder aufleben zu lassen. Zu so einem Theater braucht es Menschen-Darsteller.
Persönlichkeiten, die fähig sind, sich in Charaktere fallen zu lassen und
gleichzeitig ihren eigenen „Kern“ nicht verlieren – das ist außerordentlich
schwer, es ist eine Kunst. Und ja, einige dieser neun Studenten beherrschen
sie.
Dem Ruf des ersten Jahrgangs ist eine Schar gefolgt und so
war der kleine Saal des Off-Theater bis auf die letzte Stufe besetzt. Dazu kam
eine drückende Schwüle, die die Stimmung und das Setting des Programms – eine Dachterrasse,
kurz vor einem Gewitter – perfekt unterstützt hat. Das Konzept des Abends war
einfach und wirkungsvoll. Man braucht keine ausgefeilte Geschichte, wenn man „menschliche“
Situationen hat. Die Luft ist angestaut und wartet sehnsüchtig auf die
Entladung der Spannung durch ein Gewitter. Menschen sind zusammengekommen und
befinden sich ebenfalls in Spannung. Der Bogen überspannt sich und es folgen
die unausweichlichen Konfrontationen: Blitze. Die Texte aus relativ neuen
Stücken von Meike Hauk, Jens Roselt, Igor Bauersima, Oskar van den Boogaard
(siehe: Theater Theater. Aktuelle Stücke 14). Verschieden und doch so
zusammenhängend, weil sie unglaublich nahe am Leben dran sind. Dazwischen
Musicalmelodien in einer beeindruckend vielfältigen Auswahl – jenseits des
Abgedroschenen, mit einer ausgewogenen Mischung aus alt und neu.
Und der gesamte erste Jahrgang wirft sich in dieses
Programm. Mit Haut und Haar und geht damit voll aufs Ganze. Diese Leidenschaft,
die jeder Einzelne ausstrahlt, ist unglaublich ansteckend. Diese neun jungen
Leute haben noch einen weiten Weg vor sich, jeder andere Bereiche, die er sich
im Laufe der Ausbildung genauer anschauen muss, aber in ihnen allen steckt viel
Potential und das überzeugt jetzt schon. Es sei einem geraten, sich selbst von
diesen Leistungen zu überzeugen – Worte zu finden ist hier nicht ganz einfach.
Zwischen der beeindruckenden Gesamtleistung gab es dennoch Momente, die mir
nachhaltig in Erinnerung geblieben sind.
Nathanaele Koll-Valsassina, zum Beispiel, der nicht nur mit
seinem zurückhaltenden „Just the way you look tonight“ dem Zuschauer den Atem
raubt, sondern sich vor allem durch sein Schauspiel in einer andere Liga spielt.
Die Natürlichkeit mit der er seine Sätze spricht, dieses vollkommene „im Moment
sein“, diese von der Seele direkt nach außen getragenen Worte, diese
gleichzeitige Lockerheit des Vortrags, das alles spielt sich jenseits der Angst
ab und all das unterscheidet ihn von vielen anderen Darstellern. Scheinbar
furchtlos bringt er seinen Charakter zum Leben und erreicht damit die Zuschauer
auf einer ebenso tiefen Ebene. Ähnlich „straight from the heart“ agiert auch Christoph
Prinz, dem jedoch hie und da noch etwas Unsicherheit im Weg steht, die aber in
seinen besten Momenten plötzlich weicht und dieses „pur“ Menschliche erblicken
lässt, das einen direkt packt und nicht loslässt. Sein „Broken Vow“ ging ans
Mark und berührte. Auch die anderen Männer im Bunde, diesmal sind es ganze
fünf, haben Momente, in denen alles aufgeht. Daniel Tejeda wirkt energetisch und
dadurch immer sehr präsent. Sein „Ich fahr mit meiner Clara“ war auf den Punkt
performt und bei „Tango de Roxanne“ fasst er seine Tanzpartnerin mit solcher „Passion“,
das man seine Augen kaum abwenden konnte. Sowohl ihn als auch Jantus Philaretou
ließ man viel auf Deutsch singen – einer Herausforderung, die beide absolut
gemeistert haben. Philaretou und Nicolas Huart (äußerst kokett in "Sway") konnten ebenfalls durch und
durch überzeugen, da war viel zu sehen. Mit diesen fünf Herren hat man am
Konservatorium sicher eine gute Wahl getroffen, auch wenn es vielleicht bei
Tejedas Aufnahmeprüfung letzten März noch nicht ganz so klar war. Einmalig war
sein „Wie wird man seinen Schatten los?“ auf jeden Fall und es blieb in
Erinnerung.
Von der weiblichen Riege gefielen vor allem Sophie
Schweighofer und Laura Isabel Friedrich. Auch sie mit unglaublichem Pathos bei
der Sache. Während Schweighofer sich Herz zerreißend in die Probleme ihrer Beziehung
stürzte, bewies Friedrich nicht nur Comic Timing, sondern auch jede Menge
Gefühl. Dorina Garuci wirkt ebenfalls sehr präsent und passioniert.
Anna-Kristina Pinz konnte vor allem mit „Where ever he ain‘t“ zeigen, was sie
stimmlich drauf hat, hat aber was das Schauspiel betrifft noch einen weiteren
Weg zu gehen.
„Blitze, überall
Blitze“ zeigte nicht nur die Individualität der Studenten, sondern auch
harmonisches Zusammenspiel. Von Ramesh Nair in den Ensemble-Nummern
choreografiert zeigten diese Neun auch ihr tänzerisches Können, das bei manchem
noch etwas aufbaufähig ist, aber sich wirklich sehen lassen kann. Isabella
Fritdum hat wieder einmal ihr Händchen bewiesen einen Haufen Studenten so zu
koordinieren und zu fordern, dass dieser sein Talent zeigen konnte. Begleitet wurde das Ensemble vom Ein-Mann-Orchester Peter Uwira am Flügel, der auch für die Musikalische Leitung zuständig war.Ein Abend, der nicht nur das vorhandene Potential gezeigt hat, sondern auch die Hoffnung aufleben ließ, dass da in Zukunft noch viel mehr möglich ist. Eine Bereicherung!