Samstag, 27. Juni 2015

Bachelor-Show 2015 - Musikalisches Unterhaltungstheater - Konservatorium Wien

Schreiben oder nicht Schreiben? Das ist die Frage, die ich mir in Bezug auf diesen Blog nun ab und an stelle. Hier tut sich nicht viel seit einigen Monaten, es muss ja auch nicht. Hier, und das war mir von Anfang an klar, schreibe ich, wenn ich Lust dazu habe. Lust zum Reflektieren über Gesehenes, Erlebtes. Lust, dieses Reflektierte nach Außen zu bringen, denn erst im geschriebenen Wort wird mir es oft erst möglich meine Gedanken konkret zu fassen. Wenn es ein paar Leser gibt, umso Schöner.
Die Bachelor-Show des KONS ist eines meiner Highlights des Jahres. Ich liebe die Vielfalt des Genres, die hier präsentiert wird, die Individualität der Studenten, die hier zum Ausdruck kommen darf. 
Künstlerische Differenzen, Krankheit, Engagements - nicht alle waren diesen Juni bereit ihre Ausbildung abzuschließen. Eine magere Ausbeute also auf den ersten Blick, doch im Oktober darf dann hoffentlich auch der Rest ran. 
Die kürzeste Bachelor-Show aller Zeiten. Nichtsdestotrotz nicht weniger unterhaltsam.
Die Überraschung des Abends? Rafael Albert. Ich glaube sagen zu können, dass er die stärkste Entwicklung durchgemacht hat, die ich über die Jahre als Zuschauerin mitverfolgen konnte. Sein zusammengestelltes Programm „Failisabeth“ ist ein Potpourri der Vielfalt aufgehängt an einer cleveren Idee (Rafael Albert und Glenna Weber): Du spielst die Hauptrolle. Erste Szene, du auf der Bühne, doch kein Ensemble. Niemand da. Alleine. Kein Ausweg. Du kannst nicht fliehen. Du wirst auf dich selbst zurückgeworfen. Zeit der Reflexion. Zeit der schmerzlichen Auseinandersetzung mit dir selbst. In Rafael Alberts Fall ist es Luigi Lucheni der alleine bleibt. Und Rafael Albert in seiner Rolle und von der Rolle. Klug gewoben ist das Konzept seines Programms. Es zeigt alles, was ich mir von so einem Bachelor-Showblock erwarte. Humor, aber auch Ernsthaftigkeit. Wahrhaftigkeit im Spiel, Freude am Darstellen, vielfältige Songauswahl, ehrlich performt. Rafael Albert stellt sich der Herausforderung seines eigenen Ichs. Die Konfrontation ist von äußerem und innerem Druck, vor allem den Beruf des Musicaldarstellers betreffend, geprägt, geht aber auch darüber hinaus. Eine gelungene Leistung. Hut ab!

Die nächste auf dem Programm: Ruth Hausensteiner. Grundsätzlich eine gute Ausgangsidee. Psychiatrie bzw. psychologische Beratung eignet sich immer gut, um interessante Menschen-Geschichten zu erzählen.  Bei Hausensteiner wird es zu einer verzweifelten Suche nach der Liebe, wobei mir die Verzweiflung leider etwas zu kurz kommt. Das Potential hat sie, doch leider gestaltet sich ihr Showblock etwas eintönig. Zu wenig Variation für meinen Geschmack. Irgendwann, irgendwie möchte ich innerlich bewegt werden. Die Comedy-Ebene ist wichtig, klar, aber ich brauche Tiefgang, um die Person greifen zu können. Diese Tiefe kommt für mich nur einmal sehr kurz zum Vorschein – bei „Die Rinnsteinprinzessin“ zeigt Hausensteiner einen Ansatz, den ich bei diesem Lied oftmals vermisse. Der Zwiespalt eines hart-weichen Herzens, zwischen Sehnsucht und Verletzung, Hoffnung und Bitterkeit.
Schade, dass es davon nicht noch ein bisschen mehr zu spüren gab.
Zusätzlich stehlen ihr Nathanaele Koll und Florian Sebastian in zwei ihrer Nummern die Show. Koll als narzisstischer Prinz. Genial! Was bitte kann er nicht darstellen? Er füllt jede Rolle aus und spielt mit solcher Leidenschaft, dass man selbst kaum glaubt, was man da gerade sieht. Auf den Punkt.
Florian Sebastian – Dialekt ist sein Ding. Das kommt bei ihm so hundertprozentig rüber, dass mir das Herz aufgeht.
Bei Ruth Hausensteiner sprechen wir dennoch von einem sehr hohen Niveau. Ihr Programm hat sich da nur vielleicht etwas in den Weg gestellt.
Ein ähnliches Gefühl habe ich bei Niklas-Sven Kerck.
Sein Programm ist ebenfalls durch Monologe verbunden, etwas mehr Zusammenhang wäre aber vielleicht doch noch netter gewesen.
Auf der Bühne wirkt er sehr sympathisch, er ist ein ganz eigener Typ. Das ist sein großer Vorteil. Er verliert sich nicht auf der Bühne, sondern nutzt seine Individualität. Ich glaube trotzdem, dass noch etwas mehr drinnen gewesen wäre...

Tja, und dann kam Kimberly F. Reidl. Was für eine Bühnengewalt. Sie hat ihren Showblock sehr raffiniert für sich genutzt. Nach Sigmund Freud spaltet sie sich in drei Persönlichkeiten auf und lässt sie die Kons-Aufnahmeprüfung bestreiten. Lustig, selbst-reflexiv mit ernsten Untertönen. Für mich war es ziemlich perfekt. Erhard Pauer unterstützt mit Stimme aus dem Off das Programm und Kaj Louis Lucke als Audition-Assistenz trifft den Nagel noch auf den Kopf – seine kleinen Auftritte samt Outfit sind ein Erlebnis für sich. In einem letzten Vocal Medley wechselt Reidl zwischen ihren Persönlichkeiten so schnell hin und her, dass man sich bemühen muss mitzuhalten. Pure Unterhaltung. Abschließend noch die notwendige Zurschaustellung der tänzerischen Fähigkeiten – Reidl ist ein Triple-Threat, keine Frage. Zumindest zeigt sie das in diesem auf ihre Persönlichkeit zugeschnittenen Programm.


Das Opening aus Jason Robert Brown’s „Songs For A New World“ vereint die vier ein letztes Mal gemeinsam auf der Bühne. Ein gefühlvoller Abschluss, wenn auch nicht ganz so emotional wie manche Jahrgänge zuvor. Das lag aber höchstwahrscheinlich daran, dass sie eben nicht alle waren. Schon ein wenig schade, dass sich der vierte Jahrgang dieses Jahr nicht vereint präsentieren konnte.
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