Donnerstag, 19. April 2012

Zur Lage der VBW 2: Im Ronacher wird's "Natürlich Blond"...

„Legally Blonde“ heißt also der Nachfolger von Sister Act und die Alternative zu „Elisabeth“. Warum nicht? Für’s erste gibt es mal „Daumen hoch“ für die VBW mit Abstrichen und Vorbehalten.

Sehen wir es einmal so, die Stage Entertainment hat ab Februar 2013 auf den VBW-Bühnen nicht mehr die Finger im Spiel. Zumindest nicht offensichtlich. Das ist absolut positiv anzumerken, endlich wieder ein bisschen mehr Rückgrat.

Auch positiv: Man ist wieder bereit Risiken einzugehen. „Legally Blonde“ hat es bei uns wahrscheinlich nicht so leicht wie im englischsprachigen Raum. Man belehre mich aber gerne eines Besseren. Ob es hierzulande eine „breite Zielgruppe“, wie Neo-Intendant Christian Struppeck meint, anspricht, ist definitiv in Frage zu stellen. 

„Legally Blonde“ ist ein Feelgood-Musical, das mit mitreißender Musik aufwartet, Herz hat und einfach gute Unterhaltung bietet. Mir gefällt’s. Es hat eine gut ausgearbeitete Story, mit Höhen und Tiefen, Charaktere, deren Geschichte man gerne „mitlebt“ und es berührt. Eine gelungene Komödie.

Der größte und schwierigste Part ist hier sicher die Übersetzung ins Deutsche. Auf ihr lastet das größte Gewicht. Geht sie in die Hose, ist alles verloren. Ich bin sehr gespannt und hoffe auf kreative Höchstleistung mit größtmöglicher Originaltreue (die "Vogue" soll "Vogue" bleiben und nicht zur „Woman“ umfunktioniert werden). Interessant wird es vor allem bei „There! Right There!“ mit der Textzeile „gay or European“. Bitte lasst uns hier die Karte der Selbstironie ausspielen und über uns selbst lachen – es täte so gut!

Auch wenn es sich auch bei „Natürlich Blond“ um eine „vorgekaute“ Produktion handelt, es ist trotzdem ein mutiger Schritt aufwärts. Endlich.
Es geht immer besser und ambitionierter, mutiger und risikofreudiger, aber „Legally Blonde“ ist ein gutes Musical, das hier seinen Weg auf eine österreichische Bühne findet.
Zu hoffen bleibt nur, dass man dieses Funken Mut nicht wieder verliert, auch wenn es nicht so wie geplant laufen sollte, sondern weiter in die richtige Richtung arbeitet. In eine kreative Richtung. Babyschritte. Und wenn wir schon dabei sind, wäre es doch eine gute Idee dieses wiedergefundene Fünkchen Innovation umzusetzen und sein Potential in Musical-Konzerte (ein viel gewünschtes Sondheim-Tribute oder einen Abend mit Werken neuer Musicalkomponisten) und kleine Produktionen bzw. Try-Outs auf der Probebühne des Ronacher zu stecken. Im Moment kommt dieser langersehnte Stein nämlich langsam ins Rollen (z.B. „An Evening without Scott Alan“ oder „Der Urknall – Das Comedymusical“)…jetzt heißt es dranbleiben!
LINKS:
- Review Legally Blonde - London Cast Recording
- Omigod you guys. Legally Blonde in London
- Bilder von der Pressekonferenz VBW
- kultur-channel: Tuss'nalarm im Ronacher
- Zur Lage der VBW...1
- Musikalitis: Wien wird ein bisschen blonder

*Image via

Dienstag, 17. April 2012

Minchintastic!

Tim Minchin. Who's that guy? Spätestens jetzt nach sieben Olivier Awards für Matilda The Musical, für das Minchin die Musik geschrieben hat, ist sein Name auch in der Musicalwelt in aller Munde. Doch eigentlich ist Tim Minchin durch seine musical comedy bekannt geworden. Am Klavier, selbstgeschriebene Lieder, lustige Texte. Sarkastisch, ironisch und mutig. Ein "Ginger" mit sympathischer Ausstrahlung und einer tollen Stimme. Das australische Multitalent kennt keine Grenzen des Humors und füllt im englischsprachigen Raum die Arenen der Unterhaltung. So, who's that guy? Erklärung unmöglich. See for yourself!

Meine Favoriten:
- Inflatable You
- Rock'n'Roll Nerd
- Woody Allen Jesus
- The Good Book
- Happy Little Africans
- Some people have it worse
- Canvas Bags

LINKS:
- Tim Minchin
- Tim Minchin youtube channel

Sonntag, 15. April 2012

Reminder: Olivier Awards

Für alle Interessierten:

Heute werden die Laurence Olivier Awards verliehen und im Livestream ab 18:30 übertragen - ganz vorne bei den Nominierungen mit dabei ist Matilda The Musical (nominiert in 10 Kategorien). Lassen wir uns überraschen!

LINKS:

- Die Nominierten 2012
- Laurence Olivier Awards

Mittwoch, 11. April 2012

Musical Unplugged 6.1 - free voices, one piano

In einem Kaff nahe Wien kam gestern Musical Unplugged 6.1 zur Aufführung. Begeistert nach meinem ersten Musical Unplugged-Erlebnis letzten September war für mich klar, wenn es mir nur irgendwie möglich ist, werde ich auch die kommenden Konzerte besuchen.
Und ich kann es bestätigen, es zahlt sich manchmal wirklich aus in die Pampa zu fahren, um kulturellen Genüssen nachzugehen. Auch wenn Musical Unplugged 6.1 mich nicht so in den Bann gezogen hat, wie sein Vorgänger, für Luc Devens zahlt es sich immer aus. Immer. Wenn ich ganz ehrlich bin, würde es sich auch auszahlen, träte er in Timbuktu auf. Diese Stimme ist so unfassbar, dass man sich selbst erwischt, wie man mit offenem Mund im Publikum sitzt und aus dem Staunen nicht mehr heraus kommt. So etwas sieht man nicht oft. Ein Sänger, der „out of his mind“ ist, aber zugleich „totally in his mind“ singt. Devens ist irr, weil er sich der Musik so hingibt, sich der Musik so öffnet, dass er in seiner ganz eigenen Welt versinkt – abgeschnitten von allem. Aus diesem Mann kommen Töne heraus, die kann man nicht mehr glauben, wenn man ihn nicht selbst erlebt hat – tja, man kann es eigentlich nicht in Worte fassen. Wer nach Luc Devens an der Reihe ist hat ganz klar die A-Karte gezogen – wie bitte sollte man so eine Performance überbieten? Es geht nicht. Aber wenn einer die Brücke zurück schlagen kann, ist es Jakob Semotan. Auch er hat mich wieder einmal beeindruckt. Da ist so viel Präsenz da. Eine tolle Stimme, aber vor allem Ausstrahlung und Ausdruck. Er möchte mit seinen Songs etwas erzählen und steigt deswegen ganz in sie ein, bietet sie dem Publikum an. Was aber am meisten freut, ist der unglaubliche Spaß, den Semotan ausstrahlt. Diese Lust auf der Bühne zu stehen, merkt man in jeder Faser. Dann kommt noch eine große Portion Humor und Lockerheit dazu – Humor ist im Übrigen die beste und wahrscheinlich einzige Lösung, wenn man nach Luc Devens dran kommt.
Paart man Semotan und Devens dann noch zusammen ergibt das Prickeln auf der Bühne wie bei „Under Pressure“ von Queen, einer der ersten Songs des Abends. Der ist gleich einmal voll eingeschlagen, denn die beiden haben gemeinsam mit so einer spürbaren Freude performt, dass man selbst auch nur mehr strahlen konnte.
Die Songauswahl war neben ein paar Ausreißern ähnlich wie beim letzten Konzert, ich hätte mir ein bisschen mehr Kreativität gewünscht.

„Die unstillbare Gier“ war eher eine schlechte Wahl, dafür gab es ein „Carpe Noctem“, das um Welten besser geklungen hat, als man es zuletzt im Ronacher vernehmen konnte, und „Das Gebet“ aus den Vampiren geht grundsätzlich immer – so eine schöne Nummer. Jesus Christ Superstar war gegeben des Datums sehr passend und wenn man schon Luc Devens an Bord hat, muss man diese Songs ins Programm nehmen, man hat keine andere Wahl.

Neben Devens und Semotan bestand das Musical Unplugged-Ensemble diesmal noch aus Organisator Florian Schützenhofer, Peter Neustifter, Michael Vinzenz und Florian C. Reithner.

Florian C. Reithner – der Gute spielt was er will. Und wie er will. Ein Wahnsinns-„Piano-Player“, der sich den Spaß nicht nimmt, die Sänger immer wieder aus dem Konzept zu bringen oder zumindest sie ein bisschen herauszufordern. Durchaus eine sehr witzige Komponente, wenn die Phantasie mit ihm durchgeht und er daherspielt, was sich gerade ergibt, worauf er gerade Lust hat, was ihm gerade einfällt. Genial – mit ein paar Abstrichen, denn manchmal ist es dann doch ein bisschen zu viel. Gerade z.B. bei „Wart bis hamlich wird und stü“, das doch irgendwie eher ein ruhigerer Moment werden sollte – durch ein bisschen „Ablenkung“ von Reithner kam dann eine komische Komponente hinzu und die Stimmung hat sich geändert. Ab und zu ist für mich dann doch weniger mehr. Florian Schützenhofer hat sich aber dadurch nicht rausbringen lassen und sang die Nummer mit Gefühl zu Ende.
Bei Peter Neustifter habe ich immer das Gefühl, er kontrolliert sich zu viel, obwohl er mir diesmal schon etwas lockerer vorgekommen ist. Wie es sein kann, wenn er einmal den persönlichen Schutzwall ein bisschen einbrechen lässt, hat man in „Moving to fast“ aus The Last 5 Years gesehen. Ein kleines Hoppala zu Beginn hat ihn kurz herausgebracht und ich glaube, dass ihm das eine große Hilfe war, sich daraufhin diesem Song zu widmen, der ihn zwar herausgefordert hat, aber trotzdem eine der besten Nummern des Abends war. Im Duett „Die Schatten werden länger“ mit Michael Vinzenz übermannte sein Rudolf deutlich den „Tod“, der sich – wäre dies „Elisabeth“ – ein anderes Opfer hätte suchen müssen. Der „Tod“ hatte in diesem Fall jedenfalls nicht das Sagen. Leider enttäuschte Vinzenz auch in den meisten anderen Musical-Nummern – gut, seine Stimme schien auch belegt, aber sieht man darüber hinweg, der Funke sprang leider nicht wirklich über. Allein in seinem Solo „Portami a ballare“ schien er ganz in seinem Element, ein schöner Song!

Das „Herzstück“ von Musical Unplugged sind die – wahrscheinlich inzwischen legendären – Duette von Semotan und Schützenhofer. Kann man nicht erklären, muss man gesehen haben. Definitiv Highlights des Abends. Ebenso wie die Kirchen-„Schlager“, die auch nie fehlen. Florian Schützenhofer baut sie immer gut ins Programm ein und auch wenn sie vielleicht für manche lächerlich erscheinen, im Ensemble mit tollen Männerstimmen gesungen, geben diese einfachen Melodien echt etwas her.

Was auch immer funktioniert sind die „Switch-Nummern“ – also Mann singt Frau. So geschehen u.a. bei „Nichts, nichts, gar nichts“ (von eineM großartigen „Elisabeth“ – Jakob Semotan) und „Mrs. de Winter bin ich“ von Neustifter und Semotan – gelungen!
Zu diesem Programm gab es dann auch noch die wahrscheinlich beste Lichtshow, die Hennersdorf je gesehen hat – da spielt es sich ab. Der Saal ist für dieses Spektakel etwas zu klein und deswegen wirkt das Ganze manchmal zu viel, aber die Lichteffekte können sich schon sehen lassen.

Es hat sich ausgezahlt einen kleinen Ausflug ins "9er-Haus" nach Hennersdorf bei Wien zu machen und was von diesem Abend bleibt ist vor allem die Vorfreude auf das nächste Konzert am 29. Mai in Perchtholdsdorf, mit einem größeren Ensemble auf einer größeren Bühne - wie ich mich darauf freue!

LINKS:
- Musical Unplugged 6 Kritik
- Musical Unplugged
- youtube channel Musical Unplugged

Mittwoch, 4. April 2012

Jesus Christ Superstar - Ostern 2012 - Ronacher

Jesus Christ Superstar ist für mich Ostern – da steckt alles drin. Die Geschichte ist in diesem Musical so aufbereitet, dass man sie annehmen kann. Sie zeigt in der Musik und der Charakterisierung der Figuren so viele Facetten und genau das ist das Spannendste daran.
Ich bin überrascht, dass es nach all den Dennis Kozeluh Inszenierungen der letzten Jahre, immer noch etwas Neues zu sehen und entdecken gibt. Das liegt u.a. an der doch immer wieder wechselnden Besetzung und zu einem Großteil an Drew Sarich, der jedes Jahr noch einen drauf legt. Das liegt aber auch an den hin und wieder neuen Ideen des Regisseurs.

Diese Ouvertüre – was ist da nicht schon alles drinnen? Andrew Lloyd Webber hat mit JCS sein Meisterwerk geschrieben, da besteht für mich kein Zweifel. Jedes Jahr werde ich aufs Neue überrascht und von dieser Komposition in den Bann gezogen.
Drew Sarich als Jesus – perfekt…oder eben nicht, weil Jesus nicht perfekt war. Genau das verkörpert Sarich mit einer Glaubwürdigkeit, die ihres Gleichen sucht. Wenn er singt – vor allem natürlich Gethsemane – dann ist es als würde er die Hand ausstrecken und mein Herz greifen, das Herz des Publikums. Jesus war nicht nett, er war gut, meint Drew Sarich im Interview mit HitSquad und genau so spielt er ihn. Als jungen Mann mit Zweifeln, der zwischen Gefühlen, dem Wissen seines „Auftrags“, den damit verbundenen Ängsten, dem Nicht-mehr-weiter-wissen und Sich-fragen-warum gefangen ist. Der helfen will, aber dem manchmal einfach alles zu viel wird. Dieses Ur-menschliche, das Sarich in seiner Rolleninterpretation des Jesus zeigt, berührt und lässt einen nicht mehr los.
Ebenso interessant ist Judas als Jesu „Gegenspieler“ – die zwei sind für mich gleichwertig und Judas nimmt eine sehr zentrale Position ein, übernimmt eine wesentliche Rolle. Wie schon im letzten Jahr wurde Mischa Mang diese Rolle anvertraut und wieder hat er – für mich – nichts daraus gemacht. Ich leide, weil er die Rolle des Judas einfach nicht vielschichtig genug aufbaut. Er spielt durchwegs in einer Dimension. Sein Judas wirkt zunächst unreif und er bleibt die ganze Zeit in einer Emotion stecken, da kann man nicht viel erkennen. Judas ist ebenfalls oder vor allem Identifikationsfigur. Er liebt Jesus, doch er stellt Fragen, ist Mensch. Hat ebenso Zweifel und Selbstzweifel, hat Angst, aber auch Hoffnung. Mang spielt hier nur Vorwurf und Unreife. Seine Rockstimme ist toll, keine Frage, aber seine Power steht ihm im Weg, wenn er nicht lernt, sie auch zurückzunehmen. Vielleicht ist das Regieanweisung, vielleicht kommt das von der musikalischen Seite, aber den Judas nur in dieser einen Dimension – als „Schreihals“ – zu porträtieren ist einfach zu wenig.

Man hat also hier keine ebenbürtigen Darsteller, die aber unbedingt auf einer Ebene sein sollten. Das ist unglaublich schade, denn gerade in der Rolle des Judas ist so viel möglich, wenn man nur gewillt ist, in die Tiefe zu gehen und sich auch einmal zurückzunehmen.

Kommen wir nur aber zu den positiven „Überraschungen“ des Abends. Ana Milva Gomes als Maria Magdalena - was für eine reife, berührende Performance. Auch wenn ich Caroline Vasicek immer gerne in dieser Rolle sehe, Gomes legt noch einen drauf – bringt noch mehr Ebenen in ihr Spiel und ihren Gesang. Ihr rotes Kostüm unterstützt die Rolle außerdem sehr, es passt perfekt.

Dann haben wir da noch die „Mafia“. Arcangelo Vigneri als Annas im Leo-Mantel – wow! Zusammen mit Dennis Kozeluh als Kaiphas mit Gangster-Tatoo und Ramin Dustdar als Pilates einfach großartig. Jeder bringt so viel in seine Rolle ein und auch die Inszenierung als „Cosa Nostra“ ist gelungen. Martin Berger als Herodes – genau richtig verrückt im „Amazing Technicolor Dreamcoat“. Die zwei Mädels an seiner Seite wirken allerdings lächerlich. Hätte man ihnen wenigstens Charleston-Kleidchen übergeworfen…
Bleibt noch Riccardo Greco, als Peter/Simon, der eine vielschichtige und stimmlich einwandfreie Performance zeigen konnte. Bei ihm sieht man einfach alles in seinen Augen. Ein Genuss.

An der Bühnenkonstruktion vom letzten Jahr (Robert Hirner) hat sich nicht viel geändert; sie ist stimmig. Mir haben dieses Jahr allerdings die Kostüme (Nicole Panagl, Josef Sonnberger) besonders gut gefallen. Für das Ensemble hippig und bunt, für die „Bösen“ ein paar Mafia-Mäntel und Sonnenbrillen, für Jesus zerrissene Jeans. Mir ist ein Jesus in Jeans und Doc Martens einfach viel lieber als im Kittel – es ist authentischer.
Zu bemängeln gibt es wieder einmal die Tonabmischung, das Orchester einen Tick zu laut (aber genial unter Koen Schoots) und die Mikros ab und zu einfach zu leise, kennt man den Text nicht, kann man ihn zweitweise nur schwer verstehen.
Hoffen wir, dass der neue VBW-Intendant Christian Struppeck (ebenfalls im Publikum), diese Oster-Tradition nicht aufgibt und auch in den kommenden Jahren dieses Musical auf den Spielplan setzt. Es ist immer wieder ein Erlebnis.

Jesus Christ Superstar noch an diesen Terminen im Ronacher:
Donnerstag, 5. April 2012 um 19:30 Uhr
Freitag, 6. April 2012 um 19:30 Uhr
Samstag, 7. April 2012 um 19:30 Uhr
Sonntag, 8. April 2012 um 18:00 Uhr
LINKS:

- Jesus Christ Superstar im Ronacher 2011
- JCS Vereinigte Bühnen Wien
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