Das Stadttheater Klagenfurt setzt diese Saison auf Klassiker mit einer Prise Innovation in Form der österreichischen Erstaufführung von Paul Graham Browns „King Kong“ – doch dieses Schmankerl wartet erst im Frühling auf uns…
„My Fair Lady“ heißt der erste Streich des Stadttheaters und es ist ein durchaus gelungener. Josef E. Köpplinger inszeniert das Stück klassisch ohne große Neuerungen. Sein Bestreben das Stück im Sinne George Bernard Shaws sozialkritischer zu zeigen und den Schluss so offen zu lassen, dass man das Publikum rätselnd zurücklässt, ist bei mir leider nicht wirklich angekommen. Sozialkritisch ist die „Lady“ ja an sich, in Klagenfurt aber nicht mehr als in anderen Inszenierungen. Offenes Ende – Higgins, Freddy und/oder Blumenladen? Naja, hätte offener sein können – Elizas Weg über die Stufen in Higgins Townhouse (zu welchem Schlafgemach auch immer) ist doch ziemlich eindeutig. Bei „My Fair Lady“ bin ich grundsätzlich immer für ein open end – das Musical gewinnt dadurch ungemein, denn es spielt dann plötzlich auf einer weiteren Ebene. Es verlangt u.a. nach einer weiteren Definition von Liebe und gerade dieses Element fände ich spannend.
„My Fair Lady“ ist eine Gesichte der Selbstentwicklung. Die Hauptfiguren finden durch die Wertschätzung des Anderen und die Öffnung für Anderes etwas mehr zu sich selbst. Eliza ist eine selbstbewusste junge Frau, die sich weiterentwickeln möchte. Sie sucht Hilfe bei Higgings, der ihr ein Stück auf ihrem Weg weiterhilft. Doch auch Eliza hilft Henry Higgins. Der starrköpfige Sprachprofessor wehrt sich zunächst gegen jeglichen Eingriff in sein Leben, doch Eliza trifft nicht seinen Verstand, sondern sein Herz – auch er ändert sich.
Köpplingers Intention dem Publikum die Vielfalt der Worte bewusst zu machen und das Sprachbewusstsein zu schärfen gelingt durch die großartige Sprachbeherrschung des Ensembles. Im Opening dürfen alle reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist – da hört man hochdeutsch, bayrisch, wienerisch…herrlich! Die Klagenfurter „Lady“ ist eine wienerische (Wiener Fassung von Gerhard Bronner), der Wiener Dialekt bietet sich einfach gut an. Ich persönlich finde besonderen Gefallen an den Dialekt-Szenen, wenn da einmal ordentlich ein g’scheiter Dialekt eineg’haut wird - das befreit mich immer irgendwie! Es macht Spaß!
Besonders lobenswert in puncto Sprache die Ascot-Szene. Nadine Zeintl vermag es perfekt immer mehr in den Dialekt hineinzurutschen, um letztendlich ganz darin aufzugehen. Da trifft sie den Nagel auf den Kopf – pures Vergnügen!
Zeintl spielt eine Eliza deren innerer Kern nie verloren geht, man sieht ihr immer genau an, wie es wohl in Elizas Innenleben aussehen muss. Ihre Eliza ist frech und vor allem menschlich. Sie trägt das Stück. Sehr lustig auch die Szene mit den Sprachübungen. Egal ob Kieselsteine oder ein kleines Feuerchen zum Üben des „H“s – diese Mimik!
Ihr Gegenüber Henry Higgins gibt Matthias Freihof – anfangs etwas schwach, dann aber immer besser und gegen Ende als kindlich-bockiger Higgings, dem die Änderungen in seinem Leben und die Rolle Elizas darin zunächst gar nicht passen, mitreißend sympathisch.
Großes Manko der Inszenierung ist leider die Tonregie. Das Orchester spielt in optimaler Lautstärke, die Mikroports hätten aber deutlich lauter eingestellt werden können. Man musste sich sehr konzentrieren, um die Songtexte verstehen zu können. Einige von Higgins‘ Textpassagen gingen ganz unter. Schade!
Ein Highlight: Gerhard Ernst als Alfred P. Doolittle! Ernst spielt Doolittle mit fabelhafter Leichtigkeit, er lebt diese Rolle auf der Bühne. Da kommt alles so natürlich, dass es einfach nur ein großer Spaß ist. Wie gerne hätte ich mich einfach an die drei Saufkumpanen Gehard Ernst, Stefan Bischoff und Hannes Muik angehängt und ein bisschen mitgeschunkelt – muss das Spaß machen!
Lotte Ledl als Mrs. Higgins erwischt ebenfalls das richtige Maß – sie ist eine Dame mit einem frechen Funkeln im Auge. Eine Schauspielerin, die ich immer gerne auf der Bühne sehe.
Ebenfalls sympathisch Rudolf Zollner als Oberst Pickering. Ein guter Gegenpol mit kindlichem Einschlag zum strengen Higgings und der etwas derben Eliza.
Christof Messner spielt Elizas Verehrer Freddy Eynsford-Hill sehr verliebt, naiv und mit großem „Strahlegesicht“. Auch wenn er im ersten Akt nicht viel zu tun hat, so schafft er es mit seinem Solo „In der Straße wohnst du“ sofort das Publikum auf seine Seite zu ziehen. Die Straßenlaterne bietet Freddy plötzlich ganz neue Möglichkeiten, um seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Ein toller Song!
Die Inszenierung am Stadttheater wird nie langweilig, etwas prägnanter hätte aber die Szene nach dem Ball sein können („Sie sind’s, der es geschafft hat“). Zu gerne würde ich aber einmal eine „My Fair Lady“-Inszenierung sehen, die sich etwas mehr traut. Wer weiß, vielleicht bin ich danach für eine klassische Inszenierung, aber ich glaube, dass man bei der „Lady“ noch immer oder zumindest ziemlich oft an der Filmvorlage hängenbleibt und sich nicht weiterbewegen möchte. Ein bisschen mehr Mut beim Bühnenbild, ein bisschen mehr Mut bei den Kostümen,… – ich glaube, da könnte man noch einiges oder anderes herausholen…wenigstens erfrischt die schöne grüne Wandfarbe in Higgins‘ Domizil, zwischen all dem Grau in Grau eine Wohltat für das Auge (Bühnenbild: Rainer Sinell). Auch die Kostüme (Marie-Luise Walek) sind passend klassisch – Ascot in Schwarz und Weiß (warum geht es da nicht einmal bunt zu?), die Hutmode kreativ. Elizas Ballkleid gefällt mir besonders. Es ist schlicht und auf ihre Persönlichkeit zugeschnitten – mit einem Hauch Extravaganz.
Karl Alfred Schreiner, der zuletzt den „Nussknacker“ im Stadttheater auf die Bühne gebracht hat, choreografiert auch hier Ensemble und Ballett gelungen.
Großes Lob an das Ensemble, das als Higgings‘ Bedienstete, Ascot-Aristokraten, Bettler und Betrunkene alles gibt. Da braucht man sich nur einmal genau die einzelnen Gesichter anzusehen, man findet so viel darin. Kein Ausdruck ist ihnen zu schade, auch wenn man nicht im Mittelpunkt der Szene steht, hier werden tolle schauspielerische Leistungen geboten, von jedem einzelnen. Sogar das Ballett lässt sich da ab und zu mitreißen…
Mit einem Besuch bei „My Fair Lady“ in Klagenfurt kann man nichts falsch machen – man bekommt eine gute Inszenierung geboten, die vor allem durch die großartigen Darsteller lebt. Ein vergnüglicher Theaterabend.
- Stadttheater Klagenfurt
- Video mit Szenenmitschnitten
*Image via
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen