Musical-Gala. Das ist immer ein Kapitel für sich. Meistens
bekommt man da jene Songs präsentiert, die man schon zum Abwinken gehört hat
und teilweise einfach nicht mehr hören kann. Was habe ich mich schon aufgeregt,
weil wieder einmal „Memory“ oder irgendwelche anderen abgedroschenen Hits auf
dem Programm standen. So eine Hit-Gala kann ganz leicht in die Hose gehen:
Nichts ist schlimmer als ein Abend, der kein Ende nimmt, weil in den
Zwischenmoderationen die Lebensgeschichte der Künstler und die
Leidensgeschichten der Charaktere heruntergebetet wird, eben jene Hits beliebig
heruntergesungen werden oder wenn eine Zugabe auf die nächste folgt und gar
kein Ende mehr in Sicht ist.
Marjan Shaki und Lukas Perman luden gestern zu ihrem dritten
Benefiz-Konzert für Haiti zugunsten von Sean Penns Organisation J/P HRO. Eine
Gala mit „Wiener Musical Hits in Star-Besetzung“. Eine Gala, die in
Erinnerungen bleiben wird, weil es ein Abend wurde, der von viel Liebe
durchströmt war. Kitsch, lass nach, aber es war so. Die Haiti-Gala wurde zu
einem unvergesslichen Erlebnis, weil sie in einem Fluss verlief. Ohne viel
Tamtam, ohne viel Drumherum, ohne epische Erzählungen oder Gerede. Man ließ die
Musik sprechen und das war die beste Entscheidung.
Moderator Alexander Goebel hat mit seinem Schmäh das
Publikum nur in wenigen Intermezzos zu Spenden aufgerufen, aber vor allem hat
auch er betont was das Wichtigste an diesem Abend war: Herz und Mitgefühl.
Liebe. So viel Schlechtes wird über unsere Welt berichtet, aber es gibt Momente
im Leben, da spürt man die Hoffnung in uns Menschen und unseren Zusammenhalt so
stark, dass man vergisst und einfach nur zusammen ist. Zusammen etwas erlebt. Kunst
verbindet. Oftmals sind es Werke der Kunst, die dieses Gefühl der
Gemeinsamkeit, der Verbundenheit in uns erzeugen. Diese Momente erfüllen mich
immer mit Glück, denn sie zeigen mir, dass alles möglich ist. Die Menschen
helfen zusammen, wenn es hart auf hart kommt. Wir schaffen es gemeinsam. Jeder
einzelne Künstler hat gestern so einen Moment geschaffen. Ja, es waren
teilweise Hits, die auf der „Liste der Abgedroschenen“ stehen, aber sie löschen
sich selbst von dieser Liste, wenn es ein Darsteller schafft sich vom Song
abzuheben, in dem er ihn einfach lebt – von Anfang an in ihn einsteigt und ihn
uns Schritt für Schritt offenbart. Es muss etwas erzählt und etwas gefühlt
werden.
Die Künstler – jeder einzelne – haben nicht nur genau das
geschafft, sondern gleichzeitig auch noch von sich selbst so viel eingebracht. Ihre
Freude dabei zu sein, ihre Leidenschaft auf der Bühne zu stehn, ihr Vergnügen
mit ehemaligen Bühnenpartnern zu singen und ihre Erinnerung an eine Zeit ihres
Lebens. All das wurde auch für das Publikum erfahrbar. Da war so viel Herzblut
zu sehen, dass sowohl Darsteller als auch Zuschauer Tränen in den Augen hatten.
Es war ein kurzweiliger Abend, der einen Song nach dem anderen harmonisch ineinanderfließen
ließ. Ohne unnötiges Geplapper dazwischen, ohne die x-te Verbeugung. Als
Zuschauer konnte man sich ganz den Songs hingeben und sich in ihnen fallen
lassen. Selten habe ich so etwas bei einer Musical-Gala erlebt. Erinnerungen an
die eigenen Musical-Erlebnisse kamen zurück, sei es nun durch die vertrauten Stimmen
oder im Falle von „Romeo und Julia“ sogar durch die Originalkostüme – eine
schöne Idee, bei der ich irgendwie sentimental und nostalgisch wurde.Highlights gab es viele, denn jeder Künstler hat sich – begleitet vom wunderbaren VBW-Orchester (unter der Leitung von Koen Schoots) – so hineingeworfen, dass jede Nummer zu einem kleinen Erlebnis wurde. So konnte man nicht nur die Songs, sondern auch die Darsteller neu schätzen lernen, wie die warmen Stimmen von Maya Hakvoort und Barbara Obermeier, die Lockerheit und der Esprit von Thomas Borchert und Andreas Bieber, die Weiblichkeit und Power von Carin Filipčic, die Natürlichkeit und Herzlichkeit von Wietske van Tongeren, die Leidenschaft von Marjan Shaki. Uwe Kröger hat - nach den Reaktionen zu schließen - seinen Platz als Publikumsliebling immer noch inne, auch wenn er dem Tod stimmlich nicht mehr gewachsen ist, hat er im Duett mit Wietske van Tongeren („Jenseits der Nacht“ – Rebecca) überzeugt. Annemieke van Dam hat viel Drive in ihre Performances gebracht, wenn auch hie und da etwas zu übertrieben, dennoch sehr passioniert. Mein persönliches Highlight war allerdings Mark Seibert mit „Gethsemane“. Ein Song, der mir zu jeder Jahreszeit durch Mark und Bein geht, ganz besonders natürlich jetzt. Für dieses Bühnenerlebnis gestern gibt es kaum Worte. Seibert ist so eingestiegen, hat alles gegeben und den Song, den Charakter gelebt. Nichts macht das beschreibbar. Tränen sind geflossen und mir bleiben die Worte aus.
Nach der Scheckübergabe und Grußbotschaft von Sean Penn
schloss Wietske van Tongeren und das Ensemble mit einem berührenden „What I Did
For Love“. Eine Zugabe gab es dann noch. Gott sei Dank nur eine. Bei aller Liebe,
es gibt nichts Schlimmeres als einen „runden“ Abend, der durch die
Aneinanderreihung von Zugaben aus den Fugen gerät und man es kaum noch aushält.
Nein, auch dieser „Fauxpas“ wurde nicht begangen. Udo Jürgens‘ „Heute beginnt
der Rest deines Lebens“ erzeugte vielleicht beim ein oder anderen ein
Augenrollen, doch die Wahl des Songs stellte sich als gut heraus. Die Nummer
hat Drive, sie reißt mit und die Message hat irgendwie gepasst. Ein gelungener
Abschluss, wie ich finde.
Ein Abend voller Emotionen, eine Wohltat für die
Musical-Seele.
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