Verpönt hin oder her. Eine Preview zu rezensieren wird nicht
gerne gesehen, aber warum eigentlich? Ich habe eine Vorstellung gesehen, ich
weiß, dass noch daran gearbeitet wird (hoffentlich), ich tue meine Meinung
kund, denn
Erstens: hab ich für diese Vorstellung bezahlt.
Zweitens: ist Feedback laut Intendanz erwünscht.
Drittens: ist hier Platz dafür.
Viertens: will ich etwas loswerden und
Fünftens: muss es ja keiner lesen.
„Mozart!“ ist also „back in town“. Grundsätzlich ist diese
Entscheidung der Vereinigten Bühnen eine, die in mir einen Zwiespalt erzeugt.
Wieder eine Produktion, die nach einigen Jahren und Welterfolg „heimkehrt“. In
einer „neuen Fassung“. Gut, also wenn ich jetzt in mich gehe, dann gibt es da
mehrere Wortmeldungen: Wenigstens nicht wieder etwas Eingekauftes und
eins-zu-eins Nachproduziertes. Wenigstens eine Eigenproduktion. Warum wieder
etwas „aufwärmen“, wo ist das Neue? Von mir aus die Hits an den großen Häusern,
wenn wenigstens irgendwo irgendetwas Kreatives, Kleines, Experimentelles, Neues
ausprobiert würde – auf der Probebühne zum Beispiel. Warum geht das nicht?
Warum sehen sich die VBW nicht dafür verantwortlich das Genre aufzuwerten und
seine Vielfalt zu präsentieren?
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass ich mich
mit dem „Wenigstens“ begnügen muss, um mich selbst bei Laune zu halten und
nicht einer Musical-Depression zu verfallen.
Aber dieses „Wenigstens“ scheitert leider auch. Es scheitert
an dieser „Neufassung“ von Mozart!, die ich nur als eigenständiges Gebilde
kritisieren kann, da ich die Uraufführungs-Version damals nicht gesehen habe.
Gestern also – und es sei noch einmal dazu gesagt, dass es
sich um eine Preview handelt – habe ich Mozart! zum ersten Mal nach der
konzertanten Aufführung 2006 gesehen. Levay und Kunze haben hier ein Musical
geschrieben, das dramatisch und psychologisch interessant ist, das Mozart als
Mensch zeigt, mit Fehlern und Genius, Kindlichkeit und Hitzköpfigkeit und dem
Zwiespalt des Künstler-Daseins. Genial. Die Umsetzung von Harry Kupfer ist
jedoch enttäuschend. Wenn ein Regisseur einen Stil hat ist das nicht
verwerflich, doch wenn er sich selbst kopiert schon. Und das tut Kupfer.
Mozart! ähnelt der neuen Fassung von „Elisabeth“ gar sehr.
Bühnenbild-Projektionen, Choreographie von Dennis Callahan...irgendwie unkreativ, weil
zu ähnlich. Unabhängig davon sind die Projektionen gelungen – nein, das widerspricht sich nicht. Es sind nur viel zu viele. Das Publikum braucht keinen
ständigen Wechsel, es hat Vorstellungskraft, die es benützen möchte. Ich
brauche kein extra Bild für „Irgendwo wir immer getanzt“, ich kann mir den
Saustall vorstellen. Der schnelle und unnötige Wechsel ist hektisch und hilft
auch nicht darüber hinweg, dass die Szenen nicht nahtlos ineinander übergehen.
Der erste Akt wirkt noch wie eine holprige Aneinanderreihung von Szenen, die
Übergänge sind wenig „smooth“ und die Handlung kommt dadurch kaum in Schwung.
Die Zeit vergeht nicht und mein Interesse schrumpft. Und die Darsteller sind
gefangen in dieser Falle, sie spielen dagegen an, doch was bleibt ist ihre Einzelleistung
und weniger die Geschichte und das „zwischenmenschliche“, gemeinsame Spielen.
Das ist sehr schade, denn Oedo Kuipers ist ein wunderbarer
Mozart. Er spielt mit ganzer Seele. Sein Einsatz ist unglaublich und zeigt die
innere Zerrissenheit und den Drang des Genies, die Unermüdlichkeit des
Künstlers. Bis ins Blut geht diese Performance. Thomas Borchert macht sein
Ding. Er ist – wie immer – unerschütterlich und souverän. Barbara Obermeier ist
eine herzerwärmende Nannerl – „Der Prinz ist fort“, eine Nummer, die ich
eigentlich nicht leiden kann, gelingt ihr sehr gefühlvoll und wird zu einer
Szene, die das Stück zu diesem Zeitpunkt so dringend braucht. Auch Franziska
Schuster als Constanze spielt ihren Part sehr würdig und glaubhaft.
Mark Seibert lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, egal ob
von Orchester (viel zu laut, es wirkt so angestrengt) oder Regie (wie
lächerlich ist die Kutschenfahrt-Szene), er macht sein Ding und liefert.
Johannes Glück als Schikaneder beglückt mit wohltuendem Wienerisch im Ohr,
allerdings sind seine Auftritte immer schlecht getimt. Jon Geoffrey Goldsworthy
als Graf Arco ist eigentlich ein guter Typ, doch ich habe kaum etwas
verstanden.
Ana Milva Gomes – schön. Einfach nur schön. Und da ist auch
die Regie zu loben (ebenso wie beim Einsatz der Stühle - das funktioniert bestens!), die Bühne für ihre Szenen in Blau zu färben ist eine gute
Idee und die Baronin hält somit wenigstens einige der Szenen gut zusammen.
Gomes ist ideal besetzt – auch wenn ich zugegeben etwas skeptisch war.
Es ist noch einiges zu überdenken, wie ich meine, und es
wird noch gearbeitet. Eine gute Woche ist noch Zeit, um ein bisschen mehr Liebe
und Geschmeidigkeit hineinzubringen. Einige Szenen müssen fließender werden,
andere würde ich komplett überdenken.
Die Kutschenfahrt von Arco und Colloredo – soll das lustig
sein? Kommt nicht rüber. Sind zwei Liebesduette in so kurzem Abstand wirklich
notwendig, auch wenn beide gelungen und nett sind (die Ringelspielfahrt ist
eine tolle Idee). Mir ist der „Rote Rock“ abgegangen und „Jeder Abschied ist
der Anfang einer Reise“, die beiden Songs erzählen etwas, im Gegensatz dazu
hätte ich lieber die Prater-Szene gekürzt. „Ich bin extraordinär“ finde ich schlecht.
Die E-Gitarre mag eine gute Idee sein, wirkt jedoch im Moment so nicht. Die
Weber’schen präsentieren sich äußerst nervend, was ja so sein soll, mich nervt
aber vor allem das Hippie-Mobil. Man kann es auch wirklich übertreiben. Das ist
„the easy way out“ wenn es um Kreativität geht.
Die konzertante Aufführung 2006 hat überzeugt, auf allen
Ebenen, denn sie hat sich auf das Wesentliche konzentriert und dabei die
Charaktere und die Geschichte(n) wunderbar herausgearbeitet. Das Publikum wurde
durch nichts abgelenkt, sondern die Musik und die Darsteller haben etwas
Geschaffen, das lang in Erinnerung blieb. Etwas mehr von diesem „Wesentlichen“,
„Menschlichen“ geht dieser Neufassung noch ab.
Ich werde es mir sicher noch einmal ansehen, schon alleine
wegen Kuipers. Jetzt warte ich jedenfalls ein paar Monate und hoffe, dass sich
die Produktion etwas mehr einspielt. Wer weiß, wie sie dann wirkt und ich bin
gerne bereit das ein oder andere zu revidieren.
P.S.: Paradox ist auch, dass das Publikum beim Schlussapplaus zu "Hier in Wien - wo man vor einem Messerstich in deinen Rücken die Hände dir küsst - mitklatschen darf.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen