Samstag, 23. Juni 2012

KONS Bachelor-Show. Eine Verbeugung.

Ein paar Tage habe ich mir nun Zeit gelassen, um das Erlebte zu verarbeiten. Manchmal weiß ich sofort, was ich schreiben will, es kommt herausgesprudelt, manchmal finde ich keine Worte und manchmal möchte ich so gerne etwas schreiben, nichts aber scheint dem angemessen, was ich gesehen, erlebt und gefühlt habe. Was Letzteres betrifft sind dies meist Theatererlebnisse, die mir besonders ans Herz gehen und für Herzensdinge die richtigen Worte zu finden, ist manchmal unglaublich schwer.

Die Kons-Bachelor-Shows sind generell immer so ein Erlebnis dieser Kategorie und meistens finde ich gar keine Worte oder halte mich kurz, man muss selbst gesehen haben, was da passiert. Wenn man einen Jahrgang über seine Ausbildungszeit hinweg beobachtet, werden einem die Gesichter vertraut, man kennt sich, auch wenn man sich nicht unbedingt persönlich kennt. Es ist eine ganz merkwürdige, eigenartige Sache. Kommt es dann zum Abschluss, wird man selbst ein wenig melancholisch, doch vor allem staunt man, was aus den jungen Menschen geworden ist.

Doch langer Rede kurzer Sinn...die Bachelor-Show des diesjährigen 4. Jahrgangs hat einfach ein paar Worte verdient, auch wenn Worte den sieben Absolventen eigentlich kaum gerecht werden können!
Was dem letzten Jahrgang an männlichen Darstellern gefehlt hat – nur Christof Messner hat die Stellung gehalten und das, ohne Frage, äußerst ehrwürdig –, konnte dieses Jahr mit fünf Absolventen wieder ganz und gar aufgeholt werden. Jetzt mussten Caroline Zins und Andreja Zidaric für die Frauenriege geradestehen.

„Kunstwerke der Individualität“ kann man nennen, was man an diesem einen Abend (von insgesamt drei) geboten bekommt. Jeder Absolvent hat die Möglichkeit ein ganz eigenes Programm zusammenzustellen – mit ein paar Vorgaben - und es ist immer spannend zu sehen, was daraus gemacht wird, gemacht werden kann.
Meine großen Erwartungen an die Talente des vierten Jahrgangs wurden nicht enttäuscht – es ist ein unglaublich starkes „Ensemble“ an Individualisten.

…und wer könnte diesen Reigen an Talent besser eröffnen als Flo Stanek, der sich zügellos mit „I want to break free“ ins Geschehen wirft. Dass ihm das Geschichten erzählen liegt, merkt man. Sein Programm ist eine fein abgestimmte Story, bei der man aus dem Lachen nicht mehr herauskommt - vom ländlichen Friseur, dessen Traum sich auf ganz unerwartete Art und Weise erfüllt und der sich letzten Endes einfach ausleben kann, so wie er ist („I am what I am“). Als fulminanten Schlussact darf man ein „Priscilla, Queen of the Desert“-Medley der Extraklasse erleben, bei dem Stanek kurz von Tina Turner aka David A. Rodriguez das Rampenlicht gestohlen wird.
Stanek hat so ein exaktes Gefühl für Timing – da sollte sich so mancher Schauspieler ihn als Vorbild nehmen. Bei meinen Favoriten ganz vorne dabei, die Szene aus Nestroys „Frühere Verhältnisse“ mit Peter Kratochvil. Oh, wie ich dieses „alte“ Wienerisch liebe…das sprudelt aus den beiden nur so heraus und hat so etwas Unmittelbares, etwas entwaffnend Ehrliches – herrlich! Übertroffen nur noch durch die „Billa-Verkäuferin“ aus „Haar an der Glatzach“ – das kann man nicht überbieten, nicht einmal er selbst. Und wäre das alles nicht schon genug, setzt Stanek als „Sprachakrobat“ der Sonderklasse noch einen drauf – und zwar mit gelungenen Song-Übersetzungen aus den Programmen seiner Kollegen. Wir werden sehen, ob die VBW nicht lieber Stanek als Übersetzer von „Legally Blonde“ engagieren hätten sollen…

Was soll da noch nachkommen fragt man sich – aber zu Unrecht, denn was oder besser wer danach kam, hat mit dem Mithalten keinerlei Probleme. Sebastian Brandmeir – zweiter Kopf hinter „Tee um Drei“ – eröffnet mit „Opernboogie“ von Georg Kreisler. Eine „Verausgabung“ der besonderen Art, eine Hommage an einen großen Künstler, doch wesentlich spritziger als das Original. Eingebettet in einen roten Faden, der Beziehungsprobleme und -fragen aufwirft und in einer „wilden Party“ endet – samt grandioser Lateintanz-Sequenz mit Unterstützung von Matthias Weißschuh und Mira Kratochvil. Nicht zu vergessen: die Kollage aus „seriöser Burg“ und „deutschem Regietheater“!
Der nächste im Bunde: Konstantin Zander. Ich gestehe, dass meine Erwartungen eher zurückhaltend waren, aber ich wurde eines Besseren belehrt. Im Rahmen von Szenen aus Albert Ostermaiers „99 Grad“, setzt sich Zanders „Karl-Heinz“ – ähem! – eingeschlossen im Aufzug, gezwungenermaßen mit sich selbst auseinander. Gefangen zwischen Panikattacken, Selbstkonfrontation und Wahnvorstellungen hören wir wunderbare Melodien wie „And The Rain Keeps Falling Down“ (aus Elegies), „She Cries“ (Songs for a New World) neben Mozarts Vogelfänger und Erhards „Mein Mädchen“.  Ein durchdachtes Konzept mit gelungener Durchführung!

Vor der Pause durfte dann auch einmal eine Frau ans Werk. Caroline Zins zeigte sich in ihrer Abschlusspräsentation als dualen Frauencharakter. Das Mädchen von Nebenan, mit bösen Hintergedanken. Eingeleitet mit dem „Kuss der Spinnenfrau“ bildeten Szenen aus Fassbinders „Bremer Freiheit“ die Grundlage der Geschichte. Von den Männern enttäuscht vergiftet „Gesche“ einen Mann nach dem anderen – sei es nun Georg Leskovich, Konstantin Zander oder auch später Oliver Liebl. Die Assoziation von „Wiener Blut“ mit einem Giftcocktail bekomme ich wohl nicht so schnell wieder aus dem Kopf. Grandios: „Ein Neandertaler“ (Chanson von Günter Neumann). Am Schluss ging es dann noch einmal hart zur Sache, zu Klängen von Rihannas „S&M“ ließ sich Zins durch die Lüfte schleudern und zeigte Johannes Nepomuk und Manuel Heuser wo’s lang geht…
Nach einer verdienten Erholungspause kam dann Timo Verse an die Reihe, der seinen Ausdruck vor allem im Tanz fand. Vor einem selbstentworfenen Bühnenbild erzählte auch er eine kleine Geschichte – von einem Mann, der am Tiefpunkt einen Lichtblick erfährt. Seine Monologe bringt er sehr ehrlich und gefühlvoll, doch der Höhepunkt der Performance ist der Tanz zu John Mayers „Dreaming with a Broken Heart“. Die Choreografie wurde von Mia Michaels inspiriert, die für ihre Arbeit bei „So you think you can dance“ schon einige Emmys abstauben konnte. Es gibt Gefühle, die man nur tanzen kann, Timo Verse und Franziska Kemna schaffen dies mit einer fesselnden Leichtigkeit in diesem „Duett“. Verse findet hier seinen ursprünglichsten Ausdruck, leider ab und zu auf Kosten des Gesangs, aber sehr überzeugend.

Andreja Zidaric beginnt ihr Programm mit zwei Songs aus „Smash“ – eine gute Wahl. Ihre Präsentation kommt allerdings etwas konzeptlos daher; es muss ja auch kein Konzept geben. Mag sein, dass ich es aber auch einfach nicht mitbekommen habe,…das hat aber keinen Einfluss darauf, dass sie jede einzelne Nummer mit sehr viel Elan und Energie performt hat – vom „Lied der Köchin“ inklusive beeindruckendem Multitasking, über „So viel besser“ aus „Legally Blonde“ und das Chanson „Unmusikalisch“  bis hin zu „Love Never Dies“. Einzig allein die Szene aus Shakespeares „Sommernachtstraum“ war etwas enttäuschend. Erstens, weil sie schon ziemlich abgedroschen daherkommt und, zweitens, leider auch ohne jeglichen Pathos gespielt wurde.
Kommen wir nun zum krönenden Abschluss. Oliver Liebl hat lange durchhalten müssen, um endlich auf die Bühne zu dürfen, aber dann hat er den Vogel abgeschossen – finde ich. Also zuerst war da mal der „Märchenprinz“ (EAV) – einer meiner All-Time-Favorites. Vor den Augen des Publikums gab es ein Revival der 80er Jahre wie man es sich nur vorstellen kann. Zwischen kaugummikauenden, in  merkwürdigen Tanzmoves durch den Raum bewegenden Gestalten– ganz zu schweigen von der Kleidung – sang und spielte sich Liebl über die Bühne (aus dem Ensemble besonders hervorstechend: Johannes Nepomuk und Glenna Weber). So und jetzt gehen mir die Worte schon fast aus... Eigentlich ist es eine simple Story, die hier präsentiert wurde. Von der Liebe enttäuscht schwört ein Mann den Frauen ab und setzt sich mit dem Allein-sein auseinander; doch erkennt er bald, dass die „Chose“ doch nicht ohne geht. Eine einfache Geschichte, der Liebl doch so viel mehr verleiht als man für möglich hält. Neben seinem Gespür für Humoristisches besitzt er eine unglaubliche Tiefe, die man als Zuschauer nur erahnen kann. Da steckt so viel drinnen und das Besondere: man kann Liebl denken und fühlen sehen. Anders kann ich das nicht ausdrücken. Er sitzt da auf einem einfachen Stuhl, es ist still und die letzte Szene wirkt nach – man weiß noch nicht, was geschieht, denn man befindet sich im Moment, ist völlig gegenwärtig mit dem Charakter. Da braucht es nicht übergroße Mimik oder sonstigen Ausdruck, Liebl braucht keinerlei äußerliche Mittel um seine Botschaft zu transportieren. Es ist verblüffend und hat mich mit einem Gefühl zurückgelassen, gleichzeitig leer und voll zu sein. Besonders in einem Moment – Josh Grobans „Broken Vow“. Was für ein Song, was für eine Interpretation – nichts kann das Erlebte so gut zusammenfassen. Oliver Liebl ist ein „triple threat“ mit allen Vorzügen – da kann man dem Linzer Landestheater zu diesem Glücksgriff nur gratulieren. Wenn man einen so vielseitigen Künstler an der Seite hat, dann könnte hinter dem Konzept eines Musical-Ensembles tatsächlich etwas dran sein – ich bin gespannt.

Ein paar Worte habe ich also doch gefunden…auch wenn sie wahrscheinlich nur einen Bruchteil von dem beschreiben können, was bei der Bachelor-Show geboten wurde.  Ich freue mich schon wieder auf das nächste Jahr und beende die "Abhandlung" mit einer tiefen Verneigung vor diesen sieben Künstlern!

1 Kommentar:

  1. Hallo,
    nachdem ich (ziemlich verspätet) meinen Bericht auch endlich fertig gestellt habe, hab ich mir erlaubt deinen zu lesen: ja, ja und nochmal ja. Volle Zustimmung.
    Ich habe die Absolventinnen und Absolventen zwar bisher nicht verfolgt, war aber von ihren Leistungen ebenso überzeugt.

    Liebe Grüße

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