Wenn man einen Platz bucht, der gar nicht vorhanden ist – so
fängt das Ganze schon einmal an. Gekommen ist man –also ich – um Riccardo Greco
als Lucheni zu sein, bis die Kartenkrise gelöst war, war der Prolog schon voll
im Gange. Die ersten wichtigen Auftrittsminuten dahin – aber dafür tröstete man
mich mit einem Upgrade, auch nicht schlecht…
Also: Riccardo Greco, meine Erwartungen waren hoch. Ich halte
große Stücke auf ihn und zwar seit einem bestimmten Zeitpunkt bei „Ich, Tarzan,
Du, Jane!“ (siehe hier - ab 5:50 min). Es mag vielleicht lächerlich
sein und man kann u.a. mit dem Argument kommen, dass es sich um eine TV-Show
handelt, die zusammen geschnitten wird, auf emotionale „Verzettelung“ angelegt
ist oder was auch immer, aber für mich ist es
nicht lächerlich – Grecos künstlerisches Potential hat sich mir in jenem Moment offenbart, als
er seine Angst überwunden hat und „weggeflogen“ ist.
Dieser Moment – dieser Ausschnitt von „Against All Odds“ ist
mir damals so nahe gegangen und geht mir immer noch nahe, wenn ich mich daran
erinnere. Es war irgendwie etwas Besonderes.
Große Erwartungen führten mich gestern ins Raimund Theater.
Große Erwartungen, die nicht enttäuscht wurden. Was kann ich über Grecos
Lucheni sagen? Er nimmt sich Freiheiten und zwar die richtigen. Er weiß wo er
sie nehmen darf und spielt so seine ganz eigene Version von Lucheni. Ein guter
Darsteller kann das, ein guter Darsteller darf das und muss das.
Riccardo Greco spielt Lucheni unkontrolliert – im positiven
Sinn. Er wirft sich in die Rolle hinein, ohne Angst, ohne zu viele Gedanken,
aus dem Bauch heraus. So zumindest sehe ich es, als Zuschauer. Bestes Beispiel:
Milch.
Stimmlich lässt er die Sau heraus – er phrasiert gut,
übertreibt, wo zu übertreiben ist, haut sein Vibrato hinein, wo es passt. Greco
outriert in seiner Rolle an den richtigen Stellen (Mimik!), und kommt an anderen wieder
auf den Boden der Tatsachen zurück, um die Verbindung zum Publikum zu
festigen. „Kitsch“ klingt bei ihm wie ein Vorwurf an das Publikum, es klingt „angewidert“ -
Greco spielt das zentrale Thema des Songs gerade heraus. Riccardo Grecos Lucheni
ist alles andere als einfach gestrickt – er bespielt hier viele Ebenen, oft
sehr nuanciert. Spannend sind dann Momente, in denen auf der vermeintlichen „dreckigen“
Oberfläche des Anarchisten, die tiefere Ebene sichtbar wird und
Unsicherheit oder Angst lesbar werden.
Riccardo Grecos großer Vorteil ist die Authentizität des Italienischen. Für die Rolle muss man zwar kein
Italienisch können, aber wenn man diese Sprache schon nicht beherrscht, dann
sollte man sich trotzdem in sie fallen lassen können – und das bedeutet mehr als
nur ein rollendes „r“, es bedeutet vor allem eine lockere Zunge und keine
Hintergedanken, einfach "raus" damit. Tja, Greco hat dieses „Problem“ jedenfalls nicht…und das ist wirklich ein Vorteil – da kommt einfach
heraus, was heraus kommt, auch abseits von geschriebenen Textzeilen und das mit
einer Leichtigkeit…herrlich.
Luigi Lucheni ist bei Greco vielfältig, aber vor allem auch
ein schmieriger, rotziger „Spieler“. Ein junger Mann, der sich aus seiner
Unsicherheit heraus und so viel anderen unterdrückten Gefühlen, aufplustert, um
besser dazustehen, als er eigentlich ist. Er fährt sich mit dem Arm über die
Nase – vielleicht ein paar Mal zu oft – und nimmt das „Rotzig-Schmierige“ so
auch in seine Gestik. Ein Erlebnis.
Damals war es besser als jetzt, aber es ist immer noch ein sehr gutes Musical...ein bisschen Zeit hast du ja noch, es läuft noch bis Juni, wenn nicht länger!?
AntwortenLöschenLG, Julia