Man weiß, dass man etwas Unbeschreibliches gesehen hat, wenn
man am Heimweg immer noch Tränen in den Augen bekommt. Ja, was soll ich sagen?
Tränen über Tränen an diesem regnerischen Nachmittag und ein tief erfülltes
Herz.
Wenn die Seele spricht, dann hört sich das genau so an, wie „Wenn
Rosenblätter fallen“ oder eben „a summer rose in winter“. Und zwar genau so,
wie gestern in einem Reading die englische Version des Musicals präsentiert
wurde. Im Vorhinein wurde das Publikum gebeten nicht zu urteilen und Nachsicht
zu haben, da nicht viel geprobt wurde etc. Alles vergessen, nachdem die ersten
Sätze gesprochen, die ersten Lines gesungen wurden…
In dieser Besetzung, in diesem intimen, direkten Rahmen, nur
mit Klavierbegleitung (von Komponist Rory Six), so finde ich dieses Musical,
das an Herz und Nieren geht, am ergreifendsten. Da braucht es nichts – keine
Kostüme, kein Bühnenbild, auch nicht unbedingt Requisiten (oder zumindest nur
das Notwendigste). Pur. So haben die Gefühle, die beste Möglichkeit sich zu
entfalten.
Denke ich an den Nachmittag zurück, kann ich es immer noch
kaum fassen. Keine Worte. Als Rory Six die Pause ankündigte herrschte Stille im
Raum, durchzogen von Schniefen und Rascheln der Taschentücherpackungen. Das,
was in diesem Raum in den fast zwei Stunden passiert ist, lässt sich nicht wirklich
beschreiben. So reduziert und konzentriert auf das Wesentliche, dieses Auf und
Ab des menschlichen Daseins mit all seinen Facetten. Dieses Erforschen der
Tiefen, die Glücksmomente, die überspielten Abgründe – „a summer rose in winter“
zeigt Charaktere, die einen nicht los lassen. Sie erfordern Darsteller, die die
Angst hinter sich lassen und sich fallen lassen in diese Geschichte von Leben
und Tod. Riccardo Greco ist DIE Idealbesetzung für Tom (ehemals „Till“). Ich
weiß nicht wie und was, wenn ich ihn performen sehe. Wenn ich nur daran denke,
bekomme ich wieder Tränen in den Augen, weil dieser Mensch eine Gabe hat, die
ich bei kaum einem je gesehen habe. Wenn Greco spielt und singt, dann gelingt
es ihm, sich so zu öffnen, dass ich als Zuschauer das Gefühl habe, direkt in
seine Seele schauen zu können. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich wünsche
jedem, dass er genau das fühlen kann, was ich in diesen Momenten spüre. Eine
Seelenverbindung zwischen Darsteller, Charakter und Zuschauer. Das ist magisch
und mag jetzt so kitschig und abgedriftet klingen, wie es eben klingt – besser
kann ich es nicht ausdrücken.
Marle Martens und Jacqueline Braun sind die anderen zwei im
Bunde. Auch diese beiden beeindrucken. Martens und Greco – dass dieses Duo harmoniert,
konnte man z.B. schon in einem gemeinsamen Video sehen – eine Verbindung, die
ohne Worte funktioniert. Eine Blick, eine Umarmung sagen da mehr als tausend
Worte. Ähnlich ist es auch bei Jacqueline Braun, die ebenso tief in ihre Rolle
einsteigt wie Greco und von dort aus zu einer Leistung hochfährt, die einen nicht
loslässt.
„a summer rose in winter“ erreicht mich auf Englisch mindestens
genauso wie auf Deutsch. Die Sprache, die dieses „intimate musical“ spricht,
ist eine, die jeder versteht und genau das ist das Besondere an diesem Stück.
Es spricht Gefühle an, die uns alle verbinden – egal von wo wir kommen, oder wer
wir sind undgenau dieses „Verbinden“ der Menschen ist die Stärke dieses
Musicals. Das Reading hat mich von allen Performances, die ich bereits von
diesem Stück gesehen habe, am allermeisten berührt. Zu einem wesentlichen Teil
dank der Darsteller, allen voran Greco, und aufgrund der Intimität der Location
und der Fokussierung auf das Wesentliche. Es gibt keine erhöhte Bühne, sondern
nur Menschen, die tief in ihre Charaktere schlüpfen ohne dabei sich selbst zu
verlieren, und die Menschen im Publikum. Im Kaisersaal der Klaviergalerie war
gestern Nachmittag etwas Magisches zu spüren. Ich wünsche „a summer rose in
winter“ und dem Team dahinter den Erfolg, den es sich verdient hat und dass die
nächsten Schritte – wie z.B. ein Reading in London – erreicht werden und
gelingen. Liedtexte: Kai Hüsgen
Buch: Kai Hüsgen und Rory Six
English Translation: David Nando, Rory Six
Zusätzliche Texte: Elen de Clercq
Links:
- "Ein Leben ohne dich" - Workshop Präsentation
- "Wenn Rosenblätter fallen" - Theater Akzent
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