Dienstag, 4. Juni 2013

„a summer rose in winter" - Wenn die Seele spricht...


Man weiß, dass man etwas Unbeschreibliches gesehen hat, wenn man am Heimweg immer noch Tränen in den Augen bekommt. Ja, was soll ich sagen? Tränen über Tränen an diesem regnerischen Nachmittag und ein tief erfülltes Herz.
Wenn die Seele spricht, dann hört sich das genau so an, wie „Wenn Rosenblätter fallen“ oder eben „a summer rose in winter“. Und zwar genau so, wie gestern in einem Reading die englische Version des Musicals präsentiert wurde. Im Vorhinein wurde das Publikum gebeten nicht zu urteilen und Nachsicht zu haben, da nicht viel geprobt wurde etc. Alles vergessen, nachdem die ersten Sätze gesprochen, die ersten Lines gesungen wurden…

In dieser Besetzung, in diesem intimen, direkten Rahmen, nur mit Klavierbegleitung (von Komponist Rory Six), so finde ich dieses Musical, das an Herz und Nieren geht, am ergreifendsten. Da braucht es nichts – keine Kostüme, kein Bühnenbild, auch nicht unbedingt Requisiten (oder zumindest nur das Notwendigste). Pur. So haben die Gefühle, die beste Möglichkeit sich zu entfalten.
Denke ich an den Nachmittag zurück, kann ich es immer noch kaum fassen. Keine Worte. Als Rory Six die Pause ankündigte herrschte Stille im Raum, durchzogen von Schniefen und Rascheln der Taschentücherpackungen. Das, was in diesem Raum in den fast zwei Stunden passiert ist, lässt sich nicht wirklich beschreiben. So reduziert und konzentriert auf das Wesentliche, dieses Auf und Ab des menschlichen Daseins mit all seinen Facetten. Dieses Erforschen der Tiefen, die Glücksmomente, die überspielten Abgründe – „a summer rose in winter“ zeigt Charaktere, die einen nicht los lassen. Sie erfordern Darsteller, die die Angst hinter sich lassen und sich fallen lassen in diese Geschichte von Leben und Tod. Riccardo Greco ist DIE Idealbesetzung für Tom (ehemals „Till“). Ich weiß nicht wie und was, wenn ich ihn performen sehe. Wenn ich nur daran denke, bekomme ich wieder Tränen in den Augen, weil dieser Mensch eine Gabe hat, die ich bei kaum einem je gesehen habe. Wenn Greco spielt und singt, dann gelingt es ihm, sich so zu öffnen, dass ich als Zuschauer das Gefühl habe, direkt in seine Seele schauen zu können. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich wünsche jedem, dass er genau das fühlen kann, was ich in diesen Momenten spüre. Eine Seelenverbindung zwischen Darsteller, Charakter und Zuschauer. Das ist magisch und mag jetzt so kitschig und abgedriftet klingen, wie es eben klingt – besser kann ich es nicht ausdrücken.

Marle Martens und Jacqueline Braun sind die anderen zwei im Bunde. Auch diese beiden beeindrucken. Martens und Greco – dass dieses Duo harmoniert, konnte man z.B. schon in einem gemeinsamen Video sehen – eine Verbindung, die ohne Worte funktioniert. Eine Blick, eine Umarmung sagen da mehr als tausend Worte. Ähnlich ist es auch bei Jacqueline Braun, die ebenso tief in ihre Rolle einsteigt wie Greco und von dort aus zu einer Leistung hochfährt, die einen nicht loslässt.
„a summer rose in winter“ erreicht mich auf Englisch mindestens genauso wie auf Deutsch. Die Sprache, die dieses „intimate musical“ spricht, ist eine, die jeder versteht und genau das ist das Besondere an diesem Stück. Es spricht Gefühle an, die uns alle verbinden – egal von wo wir kommen, oder wer wir sind undgenau dieses „Verbinden“ der Menschen ist die Stärke dieses Musicals. Das Reading hat mich von allen Performances, die ich bereits von diesem Stück gesehen habe, am allermeisten berührt. Zu einem wesentlichen Teil dank der Darsteller, allen voran Greco, und aufgrund der Intimität der Location und der Fokussierung auf das Wesentliche. Es gibt keine erhöhte Bühne, sondern nur Menschen, die tief in ihre Charaktere schlüpfen ohne dabei sich selbst zu verlieren, und die Menschen im Publikum. Im Kaisersaal der Klaviergalerie war gestern Nachmittag etwas Magisches zu spüren. Ich wünsche „a summer rose in winter“ und dem Team dahinter den Erfolg, den es sich verdient hat und dass die nächsten Schritte – wie z.B. ein Reading in London – erreicht werden und gelingen.

"a summer rose in winter":
Musik: Rory Six
Liedtexte: Kai Hüsgen
Buch: Kai Hüsgen und Rory Six
English Translation: David Nando, Rory Six
Zusätzliche Texte: Elen de Clercq
Notiz:  Nach einer erneuten Glanzleistung von Riccardo Greco, kann man gespannt sein, was einen beim  Musicalsommer Amstetten dieses Jahr erwartet. Nach einer enttäuschenden Inszenierung in Baden, hatte ich „Xanadu“ bereits abgeschrieben, aber vielleicht gebe ich dem Musical in dieser Besetzung doch noch eine Chance. Aber das Beste: Greco tritt im August bei MusicalUnplugged 7 auf und tja, das kann nur eines werden: GENIAL!

Links:

- "Ein Leben ohne dich" - Workshop Präsentation
- "Wenn Rosenblätter fallen" - Theater Akzent

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