Donnerstag, 7. Mai 2015

Premiere: In the Heights - In den Heights von New York. - KONS.theater

„In the Heights“ ins Deutsche zu Übersetzen ist wahrscheinlich eines der herausforderndsten Dinge, das man sich so antun kann.  Es ist ein Musical, das alle anderen hinter sich zurücklässt und ganz alleine da steht. Es gibt nichts Vergleichbares und seine einzige ernsthafte Konkurrenz  ist wahrscheinlich nur das derzeitige Hot-Ticket am (Off-)Broadway „Hamilton“, das ebenfalls aus der Feder von Lin-Manuel Miranda stammt.

„In the Heights“ am Broadway. Das war vor ein paar Jahren „talk of town“. Zugegeben stellte es anfangs für mich eine Herausforderung dar. Ich erlebte eine Kultur, die mir nicht nur fremd war, sondern deren „Sprache“ ich auch erst verstehen lernen musste. Es ist ein Musical, das einem entweder von Anfang an mitreißt, abstößt oder mit gemischten Gefühlen zurücklässt und sich erst nach und nach entfaltet. Ist die Welt der „Washington Heights“ einem fremd tut sich die Show erst nach und nach auf, erblüht aber dann in den schönsten Farben, um es mal „blumig“ zu formulieren. Letztes Jahr durfte ich es mir noch einmal – diesmal in Londoner Southwark Playhouse – zu Gemüte führen und seit dem hat es nun meine ganze Liebe. Die Größe des Theaters war perfekt und das Erlebnis durch die Arena-Bühne unvergesslich.

Und jetzt also die deutschsprachige Erstaufführung in Wien – am Kons. Latino-Rhythmen und österreichisch-deutsche Steife treffen aufeinander, kann das gutgehen? Ja. Es kann.
Laura Friedrich Tejero hat sich besagter Herausforderung gestellt und übersetzt. Was vielleicht anfangs ein Ding der Unmöglichkeit scheint funktioniert überraschend gut. Die Übersetzung kann sich sehen lassen. Lästig sind nur die wenigen Randbemerkungen mit aktuellen Referenzen (Conchita, Griechenland), mit denen krampfhaft versucht wird, ein paar Pointen mehr rauszuhauen. Die tun zwar weh, wenn ich ganz ehrlich bin, aber gut, es gibt natürlich Schlimmeres.
Die Übersetzerin, selbst Studentin des dritten Jahrgangs, gibt auch die Nina. Ihre Performance ist durchzogen, doch an den wichtigen Stellen ist sie sehr präsent. Sehr berührend ist die Szene, in der sie mit Usnavi alte Fotoalben durchblättert und sie sich gemeinsamen Erinnerungen hingeben.
Usnavi. Was für eine Rolle. Er trägt das Stück, manchmal aktiv, manchmal passiv, doch immer da. Nathanaele Koll-Valsassina habe ich schon länger im Auge. Der Kerl hat „es“ einfach. Zuletzt noch als komödiantischer „Sidekick“ im Metropol-Musical „Plötzlich Prinz“ – ein Highlight dieser seichten Blödelei – gefallen, bekommt er hier die Möglichkeit eine etwas andere Seite von sich zu zeigen. Charmant macht er das. Die Anstrengung der Rolle merkt man ihm nicht an, so locker gibt er den sympathischen Bodega-Besitzer. Sein Schauspiel überzeugt, wie immer. Eine Wohltat für das Zuschauer-Auge. Ebenso souverän ist Dorina Garuci als Vanessa. Feurig und ehrlich ist ihr Spiel – man schaut ihr gerne zu.

Lin-Manuel Miranda (Musik/Lyrics) und Quiara Alegría Hudes (Buch) haben in diesem Stück Menschen auf die Bühne gebracht. Auch wenn die Geschichte in einem uns fremden Milieu spielt, so ist die Essenz doch pure Menschlichkeit. Die Authentizität dieses Musicals ist seine größte Stärke, noch vor seiner musikalischen „Andersartigkeit“. Es ist ein Herzensstück. Eines, das vom Leben erzählt und das Charaktere facettenreich und „offen“ darstellt. „Offen“ in dem Sinn, dass es nicht an der Oberfläche kratzt und die Menschen so porträtiert, das man sie einerseits kennenlernt, doch andererseits das Gefühl zurückbleibt, das hinter ihnen noch so viel mehr steckt als man schon weiß. Emotionale Tiefe, die man hinter jedem gesungenen, gesprochenen, gerappten Wort spürt – vorausgesetzt die Performance stimmt. Bei Nicolas Huart ist das der Fall. Jantus Philaretou ist mal mehr, mal weniger präsent, aber wenn es darauf ankommt, ist er da und berührt als besorgter Vater sehr.
Die „heimlichen“ Stars der Produktion sind für mich Soffi Schweighofer und Daniel Tejeda. Viel mehr kann man aus diesen Rollen nicht herausholen. Die beiden haben ihre Charaktere bis zum letzten Winkel ausgefüllt und überzeugten mit einem wunderbar ehrlichen Spiel. Tejeda ist wie er ist. Mehr kann ich da eigentlich nicht sagen. Das muss man selbst erleben. Wie damals bei seiner Aufnahmeprüfung am Kons (übrigens auf youtube): Er macht sein Ding und zieht es bis zum Schluss durch. Stimmlich sehr stark und mit einer großen Portion Charme und Witz ist er ein wirkliches Highlight. Jede Pointe sitzt perfekt. Soffi Schweighofer meistert den spanischen Akzent mit Bravour. Sie ist die Einzige, die ihn hundertprozentig und bis zum Ende durchzieht und ihre Rolle damit zur Perfektion bringt. Da brennt ein Feuer tief in ihr drinnen und das spürt man während der ganzen Show.
Etwas schwieriger hat es Christoph Prinz als abuelo (im Original eigentlich eine abuela). Er hat gute Momente, doch so ganz gelingt die Herausforderung einen alten Mann zu spielen leider nicht. Es ist auch schwer.
Anna Burger hat zwar die Stimme und die nötige Attitude für ihre Rolle, doch wirkt letztere nicht authentisch genug. Zu oberflächlich gestaltet sie die Rolle der Daniela für meinen Geschmack. Ihre Assistentin Carla, gespielt von Juliette Khalil, stiehlt ihr da irgendwie die Show. Die Rolle ist zwar klein, aber die Herausforderung das „Dummchen“ zu spielen umso größer. Bei Parts wie diesem steht man meist vor dem Abgrund und muss die Balance ständig halten, um die Pointen auch „funktionstüchtig“ zu machen. Khalil kann das – ganz ohne Augenrollen.

Bis auf Simon Stockinger, der positiv heraussticht, erfüllt das Ensemble (aus dem 2. Jahrgang) seinen Zweck. Leider nicht mehr. Tanz-technisch steht das Kons aber mit dieser Produktion dem Performing Center nun endgültig um nichts nach. Im Gegenteil. „In the Heights“ zeigt die Studenten in einem neuen Licht und das ist schön zu sehen.
Die Choreografien von Althair Guadarrama und Rainer Wiesmüller sind gelungen und Mirandas Musik ertönt unter der Leitung von Michael Römer mit Schwung und Spielfreude. Timo Verses Bühnenbild unter dem Licht von Dulcinea Jan rundet die Produktion perfekt ab. Auch wenn hie und da noch Raum für Verbesserung bleibt, so hat
Regisseurin Alexandra Frankmann-Koepp für die kleine KONS.theater-Bühne viel Positives herausgeholt. „In the Heights – In den Heights von New York“ beweist, dass das Konservatorium immer für Überraschungen gut ist. Hingehen!


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