„In the Heights“ ins Deutsche zu Übersetzen ist
wahrscheinlich eines der herausforderndsten Dinge, das man sich so antun
kann. Es ist ein Musical, das alle
anderen hinter sich zurücklässt und ganz alleine da steht. Es gibt nichts
Vergleichbares und seine einzige ernsthafte Konkurrenz ist wahrscheinlich nur das derzeitige
Hot-Ticket am (Off-)Broadway „Hamilton“, das ebenfalls aus der Feder von
Lin-Manuel Miranda stammt.
„In the Heights“ am Broadway. Das war vor ein paar Jahren
„talk of town“. Zugegeben stellte es anfangs für mich eine Herausforderung dar.
Ich erlebte eine Kultur, die mir nicht nur fremd war, sondern deren „Sprache“
ich auch erst verstehen lernen musste. Es ist ein Musical, das einem entweder
von Anfang an mitreißt, abstößt oder mit gemischten Gefühlen zurücklässt und
sich erst nach und nach entfaltet. Ist die Welt der „Washington Heights“ einem fremd
tut sich die Show erst nach und nach auf, erblüht aber dann in den schönsten
Farben, um es mal „blumig“ zu formulieren. Letztes Jahr durfte ich es mir noch
einmal – diesmal in Londoner Southwark Playhouse – zu Gemüte führen und seit
dem hat es nun meine ganze Liebe. Die Größe des Theaters war perfekt und das
Erlebnis durch die Arena-Bühne unvergesslich.
Und jetzt also die deutschsprachige Erstaufführung in Wien –
am Kons. Latino-Rhythmen und österreichisch-deutsche Steife treffen
aufeinander, kann das gutgehen? Ja. Es kann.
Laura Friedrich Tejero hat sich besagter Herausforderung
gestellt und übersetzt. Was vielleicht anfangs ein Ding der Unmöglichkeit
scheint funktioniert überraschend gut. Die Übersetzung kann sich sehen lassen.
Lästig sind nur die wenigen Randbemerkungen mit aktuellen Referenzen (Conchita,
Griechenland), mit denen krampfhaft versucht wird, ein paar Pointen mehr
rauszuhauen. Die tun zwar weh, wenn ich ganz ehrlich bin, aber gut, es gibt
natürlich Schlimmeres.
Die Übersetzerin, selbst Studentin des dritten Jahrgangs,
gibt auch die Nina. Ihre Performance ist durchzogen, doch an den wichtigen
Stellen ist sie sehr präsent. Sehr berührend ist die Szene, in der sie mit
Usnavi alte Fotoalben durchblättert und sie sich gemeinsamen Erinnerungen hingeben.
Usnavi. Was für eine Rolle. Er trägt das Stück, manchmal
aktiv, manchmal passiv, doch immer da. Nathanaele Koll-Valsassina habe ich
schon länger im Auge. Der Kerl hat „es“ einfach. Zuletzt noch als komödiantischer
„Sidekick“ im Metropol-Musical „Plötzlich Prinz“ – ein Highlight dieser
seichten Blödelei – gefallen, bekommt er hier die Möglichkeit eine etwas andere
Seite von sich zu zeigen. Charmant macht er das. Die Anstrengung der Rolle
merkt man ihm nicht an, so locker gibt er den sympathischen Bodega-Besitzer.
Sein Schauspiel überzeugt, wie immer. Eine Wohltat für das Zuschauer-Auge.
Ebenso souverän ist Dorina Garuci als Vanessa. Feurig und ehrlich ist ihr Spiel
– man schaut ihr gerne zu.
Lin-Manuel Miranda (Musik/Lyrics) und Quiara Alegría Hudes
(Buch) haben in diesem Stück Menschen auf die Bühne gebracht. Auch wenn die
Geschichte in einem uns fremden Milieu spielt, so ist die Essenz doch pure
Menschlichkeit. Die Authentizität dieses Musicals ist seine größte Stärke, noch
vor seiner musikalischen „Andersartigkeit“. Es ist ein Herzensstück. Eines, das
vom Leben erzählt und das Charaktere facettenreich und „offen“ darstellt.
„Offen“ in dem Sinn, dass es nicht an der Oberfläche kratzt und die Menschen so
porträtiert, das man sie einerseits kennenlernt, doch andererseits das Gefühl
zurückbleibt, das hinter ihnen noch so viel mehr steckt als man schon weiß.
Emotionale Tiefe, die man hinter jedem gesungenen, gesprochenen, gerappten Wort
spürt – vorausgesetzt die Performance stimmt. Bei Nicolas Huart ist das der
Fall. Jantus Philaretou ist mal mehr, mal weniger präsent, aber wenn es darauf
ankommt, ist er da und berührt als besorgter Vater sehr.
Die „heimlichen“ Stars der Produktion sind für mich Soffi Schweighofer und Daniel Tejeda. Viel mehr kann man aus diesen Rollen nicht
herausholen. Die beiden haben ihre Charaktere bis zum letzten Winkel ausgefüllt
und überzeugten mit einem wunderbar ehrlichen Spiel. Tejeda ist wie er ist.
Mehr kann ich da eigentlich nicht sagen. Das muss man selbst erleben. Wie damals
bei seiner Aufnahmeprüfung am Kons (übrigens auf youtube): Er macht sein Ding
und zieht es bis zum Schluss durch. Stimmlich sehr stark und mit einer großen
Portion Charme und Witz ist er ein wirkliches Highlight. Jede Pointe sitzt
perfekt. Soffi Schweighofer meistert den spanischen Akzent mit Bravour. Sie ist
die Einzige, die ihn hundertprozentig und bis zum Ende durchzieht und ihre
Rolle damit zur Perfektion bringt. Da brennt ein Feuer tief in ihr drinnen und
das spürt man während der ganzen Show.
Etwas schwieriger hat es Christoph Prinz als abuelo (im
Original eigentlich eine abuela). Er hat gute Momente, doch so ganz gelingt die
Herausforderung einen alten Mann zu spielen leider nicht. Es ist auch schwer.
Anna Burger hat zwar die Stimme und die nötige Attitude für
ihre Rolle, doch wirkt letztere nicht authentisch genug. Zu oberflächlich
gestaltet sie die Rolle der Daniela für meinen Geschmack. Ihre Assistentin
Carla, gespielt von Juliette Khalil, stiehlt ihr da irgendwie die Show. Die
Rolle ist zwar klein, aber die Herausforderung das „Dummchen“ zu spielen umso
größer. Bei Parts wie diesem steht man meist vor dem Abgrund und muss die
Balance ständig halten, um die Pointen auch „funktionstüchtig“ zu machen.
Khalil kann das – ganz ohne Augenrollen.
Bis auf Simon Stockinger, der positiv heraussticht, erfüllt
das Ensemble (aus dem 2. Jahrgang) seinen Zweck. Leider nicht mehr. Tanz-technisch
steht das Kons aber mit dieser Produktion dem Performing Center nun endgültig um
nichts nach. Im Gegenteil. „In the Heights“ zeigt die Studenten in einem neuen
Licht und das ist schön zu sehen.
Die Choreografien von Althair Guadarrama und Rainer
Wiesmüller sind gelungen und Mirandas Musik ertönt unter der Leitung von
Michael Römer mit Schwung und Spielfreude. Timo Verses Bühnenbild unter dem
Licht von Dulcinea Jan rundet die Produktion perfekt ab. Auch wenn hie und da
noch Raum für Verbesserung bleibt, so hat
Regisseurin Alexandra Frankmann-Koepp für die kleine
KONS.theater-Bühne viel Positives herausgeholt. „In the Heights – In den
Heights von New York“ beweist, dass das Konservatorium immer für Überraschungen
gut ist. Hingehen!
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