Ich bin überrascht, dass es nach all den Dennis Kozeluh Inszenierungen der letzten Jahre, immer noch etwas Neues zu sehen und entdecken gibt. Das liegt u.a. an der doch immer wieder wechselnden Besetzung und zu einem Großteil an Drew Sarich, der jedes Jahr noch einen drauf legt. Das liegt aber auch an den hin und wieder neuen Ideen des Regisseurs.
Diese Ouvertüre – was ist da nicht schon alles drinnen? Andrew Lloyd Webber hat mit JCS sein Meisterwerk geschrieben, da besteht für mich kein Zweifel. Jedes Jahr werde ich aufs Neue überrascht und von dieser Komposition in den Bann gezogen.
Drew Sarich als Jesus – perfekt…oder eben nicht, weil Jesus nicht perfekt war. Genau das verkörpert Sarich mit einer Glaubwürdigkeit, die ihres Gleichen sucht. Wenn er singt – vor allem natürlich Gethsemane – dann ist es als würde er die Hand ausstrecken und mein Herz greifen, das Herz des Publikums. Jesus war nicht nett, er war gut, meint Drew Sarich im Interview mit HitSquad und genau so spielt er ihn. Als jungen Mann mit Zweifeln, der zwischen Gefühlen, dem Wissen seines „Auftrags“, den damit verbundenen Ängsten, dem Nicht-mehr-weiter-wissen und Sich-fragen-warum gefangen ist. Der helfen will, aber dem manchmal einfach alles zu viel wird. Dieses Ur-menschliche, das Sarich in seiner Rolleninterpretation des Jesus zeigt, berührt und lässt einen nicht mehr los.
Ebenso interessant ist Judas als Jesu „Gegenspieler“ – die zwei sind für mich gleichwertig und Judas nimmt eine sehr zentrale Position ein, übernimmt eine wesentliche Rolle. Wie schon im letzten Jahr wurde Mischa Mang diese Rolle anvertraut und wieder hat er – für mich – nichts daraus gemacht. Ich leide, weil er die Rolle des Judas einfach nicht vielschichtig genug aufbaut. Er spielt durchwegs in einer Dimension. Sein Judas wirkt zunächst unreif und er bleibt die ganze Zeit in einer Emotion stecken, da kann man nicht viel erkennen. Judas ist ebenfalls oder vor allem Identifikationsfigur. Er liebt Jesus, doch er stellt Fragen, ist Mensch. Hat ebenso Zweifel und Selbstzweifel, hat Angst, aber auch Hoffnung. Mang spielt hier nur Vorwurf und Unreife. Seine Rockstimme ist toll, keine Frage, aber seine Power steht ihm im Weg, wenn er nicht lernt, sie auch zurückzunehmen. Vielleicht ist das Regieanweisung, vielleicht kommt das von der musikalischen Seite, aber den Judas nur in dieser einen Dimension – als „Schreihals“ – zu porträtieren ist einfach zu wenig.
Man hat also hier keine ebenbürtigen Darsteller, die aber unbedingt auf einer Ebene sein sollten. Das ist unglaublich schade, denn gerade in der Rolle des Judas ist so viel möglich, wenn man nur gewillt ist, in die Tiefe zu gehen und sich auch einmal zurückzunehmen.
Kommen wir nur aber zu den positiven „Überraschungen“ des Abends. Ana Milva Gomes als Maria Magdalena - was für eine reife, berührende Performance. Auch wenn ich Caroline Vasicek immer gerne in dieser Rolle sehe, Gomes legt noch einen drauf – bringt noch mehr Ebenen in ihr Spiel und ihren Gesang. Ihr rotes Kostüm unterstützt die Rolle außerdem sehr, es passt perfekt.
Dann haben wir da noch die „Mafia“. Arcangelo Vigneri als Annas im Leo-Mantel – wow! Zusammen mit Dennis Kozeluh als Kaiphas mit Gangster-Tatoo und Ramin Dustdar als Pilates einfach großartig. Jeder bringt so viel in seine Rolle ein und auch die Inszenierung als „Cosa Nostra“ ist gelungen. Martin Berger als Herodes – genau richtig verrückt im „Amazing Technicolor Dreamcoat“. Die zwei Mädels an seiner Seite wirken allerdings lächerlich. Hätte man ihnen wenigstens Charleston-Kleidchen übergeworfen…
Bleibt noch Riccardo Greco, als Peter/Simon, der eine vielschichtige und stimmlich einwandfreie Performance zeigen konnte. Bei ihm sieht man einfach alles in seinen Augen. Ein Genuss.
An der Bühnenkonstruktion vom letzten Jahr (Robert Hirner) hat sich nicht viel geändert; sie ist stimmig. Mir haben dieses Jahr allerdings die Kostüme (Nicole Panagl, Josef Sonnberger) besonders gut gefallen. Für das Ensemble hippig und bunt, für die „Bösen“ ein paar Mafia-Mäntel und Sonnenbrillen, für Jesus zerrissene Jeans. Mir ist ein Jesus in Jeans und Doc Martens einfach viel lieber als im Kittel – es ist authentischer.
Zu bemängeln gibt es wieder einmal die Tonabmischung, das Orchester einen Tick zu laut (aber genial unter Koen Schoots) und die Mikros ab und zu einfach zu leise, kennt man den Text nicht, kann man ihn zweitweise nur schwer verstehen.
Hoffen wir, dass der neue VBW-Intendant Christian Struppeck (ebenfalls im Publikum), diese Oster-Tradition nicht aufgibt und auch in den kommenden Jahren dieses Musical auf den Spielplan setzt. Es ist immer wieder ein Erlebnis.
Jesus Christ Superstar noch an diesen Terminen im Ronacher:
Donnerstag, 5. April 2012 um 19:30 Uhr
Freitag, 6. April 2012 um 19:30 Uhr
Samstag, 7. April 2012 um 19:30 Uhr
Sonntag, 8. April 2012 um 18:00 Uhr
LINKS:Freitag, 6. April 2012 um 19:30 Uhr
Samstag, 7. April 2012 um 19:30 Uhr
Sonntag, 8. April 2012 um 18:00 Uhr
- Jesus Christ Superstar im Ronacher 2011
- JCS Vereinigte Bühnen Wien
Zusammen mit meinem 17jährigen Sohn durfte ich am Karfreitag das Musical genießen. Anfangs waren wir etwas enttäuscht über den haarlosen Jesus, die karge Bühne. War man doch z.B. einen langhaarigen Jesus in Kutte gewohnt. Dieser Eindruck wandelte sich jedoch bereits nach den ersten Takten in pure Begeisterung. Revolutionär, begeisternd, mitreisend, unglaublich dramatisch! Angefangen über das erstklssige Spiel des Orchesters inmitten der agierenden Sänger/Schauspieler über die außergewöhnlich, dramatischen, gesangsmäßig überwältigenden Darsteller....außnahmslos Superbesetzung! Mitreisend und einmalig! Mein bislang best-erlebtes Musical! Wie gerne würde ich das nochmals erleben!
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