Samstag, 4. April 2009

Frühlings Erwachen

So,...endlich schaffe ich es mich hinzusetzen und meine "Kritik" zu schreiben...ich bin fast jeden Abend in irgendeinem Theater oder Konzert und tagsüber hab ich Uni und so hatte ich jetzt wenig Zeit...aber jetzt :)

Frühlings Erwachen ist anders. Aber das liegt nicht nur an der Inszenierung, sondern bereits am Thema. Frank Wedekind hat ein anrührendes, ergreifendes, schockierendes Stück geschrieben, das erstmal als großer Skandal wahrgenommen wurde, weil es zu ehrlich war.

Meiner Meinung nach hat dieses "Skandalstück" in Musicalform seine ideale Inszenierungsform gefunden, denn die Charaktere können endlich ausbrechen und sich kurzfristig von der Enge des Stücks und ihrer Situation befreien. Einiges wurde von Steven Sater geändert, doch das tut der Dramatik des Stücks keinen Abbruch, sondern macht es vielleicht sogar noch ein wenig besser.

Die Kombination mit einer ganz "anderen" Musik, nicht so wie es Musicals sonst gewohnt sind, ist gut gewählt und funktioniert hervorragend. Ich kannte nur die Broadway Cast CD und konnte mit einigen Liedern vorerst nicht viel anfangen, doch als ich das Musical dann auch vor Augen hatte, haben alle gewirkt. Es handelt sich um wirklich tolle Kompositionen von Duncan Sheik und manchmal muss man auch hier hinter die Fassade blicken, um die Genialität zu entdecken.
Vor der deutschen Übersetzung hatte ich Angst, doch sie war auf wundersame Weise ganz erträglich. Nicht prickelnd, aber okay. "Im Arsch" kommt aber leider nicht wirklich an "Totally Fucked" heran. Die fetzige Melodie verliert zwar nicht durch die deutsche Sprache, aber der Wortwitz schon. Und bei "Mama du hörst mich" und "Mama who bore me" ist auch noch ein Unterschied, aber bitte...

Das Musical hat viele Facetten, obwohl zuerst alles ein wenig einfach erscheint. Das Bühnenbild steht schon und es gibt keinen Vorhang. Der Bühnenraum ist für das Publikum die ganze Zeit zu sehen...es gibt bei dieser Inszenierung auch Bühnensitze. Drei Reihen auf jeder Seite. Am Anfang des Stückes kommen die Band und die Darsteller auf die Bühne und nehmen auf den freien Stühlen Platz. Einige Zuschauer haben so die Möglichkeit ganz nah am Geschehen teilzunehmen. Das bedeutet aber auch gleich eine größere Herausforderung für die Darsteller, die sich nicht ablenken lassen dürfen. Was den Darstellern alles abverlangt ist sowieso sehr viel und ihnen gehört meine vollste Hochachtung. Grenzen müssen überschritten werden, Gefühle müssen gezeigt werden und die Darsteller geben alles.

Allen voran muss ich natürlich Wolfgang Türks (Moritz) und Rasmus Borkowski (Melchior)nennen. Beide spielen als gäbe es keinen Morgen. Rasmus Borkowski ist ein großartiger Schauspieler und man nimmt ihm alles ab. Seine innere Wut, seine Liebe, seine Verzweiflung. Er ist wirklich gut und kann in diesem Musical endlich mal zeigen was alles in ihm steckt.
Auch Wolfgang Türks ist wahnsinnig gut. Mit den beiden haben die VBW wirklich Haupttreffer gelandet, denn auch Türks spielt sehr glaubhaft und man fährt mit ihm seine "innere Achterbahn der Gefühle" und fühlt mit. Das Stück geht auch dem Publikum, zumindest mir, sehr an Herz und Nieren und ist stellenweise schon heftig. Aber es verliert nie den Boden und wird zu viel.

Die Vereinigten Bühnen haben mit dem Original Broadway Creative Team zusammengearbeitet und das war die beste Entscheidung, die sie je hätten machen können, denn dieses Musical kann man nur so inszenieren. Mit Einfachheit wird eine Komplexität geschaffen, aber die Musik kompensiert diese wiederum. Es ist ein herrliches "Up and Down". Die Musik geht ebenfalls dieses "Auf und Ab" mit. Ist mal rockig, klingt manchmal ein bisschen nach Folklore und sogar nach Alternative. Diese Mischung macht es aus. Sie ist ungewöhnlich und anders und unterstützt so das Ausreißen der Charaktere wirklich gut. Die Charaktere können durch ihre Songs ausbrechen und man erfährt was sie denken und fühlen, kann sich besser in sie hineinversetzen und wird so mehr in die Geschichte hineingezogen. Ein toller Effekt, den man eigentlich erst am Ende merkt. Man atmet auf und merkt wie sehr man in dieser Geschichte drinnen war und sie miterlebt hat. Man ist ganz überrascht und dann blickt man auf die Darsteller und es fehlen einem die Worte. Die richtigen Worte für dieses Stück gibt es glaub ich auch nicht. Es ist einfach, wie es ist. Und es ist gut. Es zeigt das Leben von seinen unterschiedlichsten Seiten und macht aufmerksam.

Um noch einmal auf die Darsteller zurückzukommen...Hanna Kastner spielt die Wendla und macht das auch gut. Als ich am 26.3. gleich ein zweites Mal in FE war, habe ich allerdings Patrizia Leitsoni als Wendla gesehen, die mir ein wenig besser gefallen hat...sie hat irgendwie verletzlicher und ehrlicher gespielt.
Das Herzstück dieser Inszenierung ist wirklich die großartige Cast. Ich möchte jetzt nicht alle Namen nennen, obwohl ich es sollte, aber das würde jetzt zu weit führen. Zusammenfassend kann ich hier nur sagen, dass ich vor allem den Mut der Darsteller bewundere (nicht nur sich solche Frisuren schneiden zu lassen ;) ) und natürlich deren schauspielerische Leistung. Sie gehen an Grenzen und überzeugen durch und durch.
Nur die "Erwachsenen"-Darsteller möchte ich noch kurz erwähnen: Julia Stemberger und Daniel Berger. Zwei Personen und so viele unterschiedliche Rollen. Mit welcher Präzision sie ihre Charaktere herausarbeiten und spielen ist wirklich bewundernswert.

Bei dem Musical stimmt eigentlich so ziemlich alles. Es ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Auch wenn es vielleicht teilweise heftig ist, finde ich, dass sich jeder Mensch mit diesen Thematiken auseinandersetzen sollte. Ehrlichkeit und Wahrheit tun manchmal weh, aber wir brauchen sie. Dieses Musical ist ehrlich und zeigt uns das Leben. Obwohl es in der Vergangenheit spielt (um 1890), gibt es so viele Gegenwartsbezüge und so viel Wahres. Die Mischung aus Vergangenheit und Gegenwart ist hervorragend gelungen - nicht nur durch die Musik.

Es gäbe sicher noch einiges zu sagen, aber wie ich bereits erwähnt habe, gibt es für dieses Musical kaum Worte. Man kann zwar "drumherum" reden und alles Mögliche betonen, aber fassen kann man es nur schwer.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...