Mittwoch, 5. September 2012

Raimund Theater: Elisabeth - Vorpremiere


Lassen wir die Diskussionen über die „Rückkehr“ von Elisabeth nach Wien (war’s überhaupt weg?) und über die „Übernahme“ der Tour-Cast einmal außer Acht; versuchen wir auch darüber hinwegzusehen, dass in der gestrigen Vorpremiere irgendwie der Wurm drinnen war und widmen wir uns der „Jubiläumsfassung“ von Elisabeth einmal ohne dem allen – probieren wir es zumindest.
Elisabeth 2012“ fühlt sich an, als hätte man versucht eine alte Silberschale zu polieren, um aber dann nach all dem Putzen und Wischen festzustellen, dass einem die Silberschale angelaufen doch besser gefallen hat. Der alte Schleier, der sich über das Stück gelegt hatte, wurde nun entfernt und was zum Vorschein kommt ist gewöhnungsbedürftig.

Die Vorpremiere beginnt und von Anfang an fühlt sich irgendetwas nicht ganz richtig an, vielleicht musste ich mich auch erst einmal an die neue Location gewöhnen, denn das Raimund Theater kam mir noch nie so klein vor. Das Musical konnte und wollte sich nicht so recht entfalten, ob da allein die Größe der Bühne ausschlaggebend war, ist sehr fraglich.
Der erste Akt wirkt wie eine Nummernrevue, die Songs und Szenen erscheinen aneinandergereiht, aber nicht zusammenhängend.  Warum aber? Man sitzt im Publikum und kann es nicht ganz verstehen. Liegt es an Lucheni? Kurosch Abbasi spielt und sing gut, aber ihm fehlt der Biss, das „Einnehmende“. Luigi Lucheni ist das Verbindungsglied zum Publikum und man sollte ihn im selben Moment lieben und hassen können und ihm immer folgen wollen. In dieser Rolle muss man bereit sein zu outrieren was das Zeug hält, erst dann wird sie „griffig“. Doch gestern wollte sich das partout nicht einstellen. Abbasi wurde ständig überschattet, war nicht präsent, nicht stark genug. Vielleicht muss sich das erst einspielen bzw. er sich erst einspielen. Wie es funktionieren würde, sieht man leider erst im Schlussapplaus – zu spät.

Neben dem Gefühl hier einer Revue beizuwohnen entsteht auch das Gefühl einer Parodie. Nehmen wir z.B. „Jedem gibt er das Seine“. Sei es nun der Kardinal Erzbischof oder welcher Graf auch immer, sie alle sprechen ihre Sätze mit Ironie und ohne jeglichen Ernst. Alles wirkt wie eine Karikatur. Die Choreografie von Dennis Callahan ist aber Karikatur genug, mehr braucht es nicht. Es wirkt als hätte man die ironische Kommentarfunktion von Lucheni abgezogen und sie in unpassender Weise nach Belieben hineininszeniert. Gerade in dieser Szene wird wenig transportiert, auch wenn Daniela Ziegler und Franziskus Hartenstein alles in ihre Rollen legen.
Hartenstein ist ein sehr überzeugender Franz Joseph, der dem Kaiser viele neue Schichten verleiht und der Rolle Leben einhaucht. Er versteht es stets Balance zu halten – sei es nun zwischen Herrscher und verliebten Mann oder Sohn, Ehemann und Vater. Eine grandiose Leistung für einen so jungen Darsteller!

Auch Daniela Ziegler als Sophie überzeugt in ihren Szenen, ebenso wie Carin Filipcic, die als Herzogin Ludovika und Frau Wolf, wie gewohnt, souverän performt.
Den ersten schönen Moment findet das Musical in „Ich gehör nur mir“, in einer wunderschönen Interpretation der Hauptdarstellerin Annemieke van Dam. Hier kommt das Stück erstmals zu einem Halt und man kann für einen Moment die Kuriositäten des Anfangs vergessen.

Van Dam spielt Elisabeth mit Hingabe - nuanciert, glaubwürdig und mit viel Pathos. Eigentlich bildet Elisabeth mit Tod und Lucheni eine Art Triangel, doch in der Jubiläumsfassung steht sie alleine da und lässt die beiden anderen Gestalten hinter sich. Eine eigenartige Wendung, die durch die Darstellung von Mark Seibert als Tod noch verstärkt wird. Er spielt einen majestätischen Tod, einen erhabenen Tod mit pubertären Zügen, die ab und zu unerwartet ihren Weg nach draußen finden. Aber obwohl Seibert wie ein geborener Verführer wirkt, will sich die Anziehung zwischen ihm und Elisabeth den ganzen Theaterabend einfach nicht einstellen. Auch Annemieke van Dam spielt diese Ebene kaum an - ihre Todessehnsucht kommt nicht immer klar heraus. Erst gegen Ende des Stückes habe ich zu einer Neuinterpretation der Rolle des Todes gefunden, doch ob das intendiert war? Eher unwahrscheinlich. Eigentlich ist es ja die Grundidee des Musicals, der Kaiserin den Tod als Liebhaber gegenüberzustellen; hier aber bespielt der Tod eher seine Liebe zum Töten als die Liebe zur Kaiserin. Elisabeth nimmt keine Sonderstellung ein. Seine Eifersucht und Wut ergründen sich nur daraus, dass er nicht bekommt, was er will. Dann das Paradoxon: Zwischen Rudolf und dem Tod herrscht in „Die Schatten werden länger“ mehr erotische Spannung als zwischen Elisabeth und ihrem sog. „Liebhaber“. Hier sprühen die Funken, die man sich eigentlich woanders vorgestellt hat und die Luft elektrisiert sich, wie an keiner anderen Stelle.
Nach der Pause nimmt das Stück dann generell an Fahrt auf und findet seinen emotionalen Höhepunkt - man glaubt es kaum - in „Wenn ich dein Spiegel wär‘“. Anton Zetterholm brilliert als Rudolf. Er kommt mit einer inneren Spannung auf die Bühne, die Ihresgleichen sucht, und spielt seine Rolle mit jeder Faser seines Ichs. Das ist Schauspiel. Durch seine wunderschöne Stimme transportiert er jedes noch so kleine Gefühl und schafft es tief zu berühren.

Ich verzichte darauf auf die „Modernisierung“ mit all ihren Änderungen näher einzugehen, da soll sich jeder seine eigene Meinung bilden. Zwar trauere ich ein wenig um das Autodrom, doch ob die Todesengel nun schwarze Haare haben oder nicht ist ziemlich egal. Die neuen Kostüme (Yan Tax) gefallen, sie wirken frisch und lebendig. Bei den Projektionen hat man sich hie und da vielleicht ein wenig zu viel einfallen lassen, einiges wirkt einfach nur aus dem Prinzip „modernisiert“, dem Publikum etwas Neues zu bieten. Ein Eismeer bei Rudolfs Selbstmord in Mayerling ist – auch wenn es seiner Gefühlslage entspricht – doch etwas kurios. Die „größte“ Änderung ist vielleicht die Integration von „Kein Kommen ohne Gehen“ nach Sisis Sturz in Possenhofen. Ein schöner Song, der dem Tod die Chance gibt etwas „menschlicher“ zu wirken und auch diese Seite auszuspielen – leider war hier aber die Luft draußen und weder Lied noch Stimmung hatten Raum sich zu entfalten, zumindest gestern.
„Elisabeth“ ist trotzdem immer noch ein wirklich gutes Musical, das vor allem durch die tolle Musik von Sylvester Levay besticht. Jetzt darf man gespannt sein, was die Kritiker dazu sagen, wie sich die Inszenierung (Regie: Harry Kupfer) in den nächsten Wochen weiterentwickelt und wie die Zweitbesetzungen in ihren Rollen überzeugen. Besonders freue ich mich auf Riccardo Greco als Lucheni und Dagmar Hellberg als Sophie, aber auch Oliver Arno und Rory Six als Tod könnten interessant sein.


*Image Copyright: VBW/Brinkhoff/Mögenburg via
Link:

- Elisabeth Vorpremiere auf Kultur-Channel

 

2 Kommentare:

  1. "Van Dam spielt Elisabeth mit Hingabe - nuanciert, glaubwürdig und mit viel Pathos"

    "Auch Annemieke van Dam spielt diese Ebene kaum an"

    Ah ja.... Gerade die Todessehnsucht ist das für mich wichtige. Damit wird die Rolle erst wirklich glaubwürdig. Sie spielt das nicht an, wie kann sie dann das sein, was im ersten Zitat steht???

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  2. @Anonym:

    Du hast Recht, man könnte meinen, dass sich das widerspricht.
    Trotzdem finde ich, dass van Dam auch die verzweifelte, unglückliche, sich-aus-dieser-Welt-sehnende Seite der Elisabeth bespielt - es ist vor allem die Sehnsucht nach ihrem "Liebhaber", die wenig herauskommt.

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